Schmelzpunkt von Fertigglasuren erhöhen

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Crispywhisky
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Schmelzpunkt von Fertigglasuren erhöhen

Beitrag von Crispywhisky »

Hallo Kalkspatzen,

ich habe hier ein paar ungeöffnete Fertigglasuren von Jäger für den Brennbereich 1130°-1170°, brenne aber bei 1200° in einem Elektroofen von Pyrotec und möchte auch nicht so niedrig brennen, nur um diese Glasuren nutzen zu können. Die Sicherheitsdatenblätter der Glasuren habe ich mir heruntergeladen, sie geben aber nicht wirklich Auskunft über deren Zusammensetzung, daher fische ich im Dunklen. Nun würde ich gerne eine Testreihe starten, ob ich nicht der einen oder anderen Glasur brauchbare Ergebnisse entlocken kann, wenn ich versuche den Schmelzpunkt zu erhöhen. Dass sich dabei auch die Farben verändern werden, ist mir klar, das ist aber egal (vielleicht ist ja was Hübsches dabei).

Nach einigem Lesen hier im Forum scheinen mir Quarzmehl und Tonmehl für den Zweck aussichtsreich und für einen ersten Test habe ich mir vier Varianten zum Vergleich gedacht:
- Zugabe von Quarzmehl
- Zugabe von Quarzmehl und Tonmehl meiner Drehmasse
- Zugabe von Tonmehl meiner Drehmasse
- 50%/50% Mischung mit Jäger-Transparentglasur für den Brennbereich 1200-1260°


Das Problem ist, ich bin etwas ratlos, wieviel Prozent Quarzmehl und Tonmehl ich für einen sinnvollen Anfang zugeben soll, vor allem beim Quarzmehl. Könntet Ihr mir da vielleicht helfen? Ich dachte an:
- 5% Quarzmehl
- 3% Quarzmehl und 5-10% Tonmehl
- 10% Tonmehl (oder besser 15%?)


Ist das Quatsch? Und könntet Ihr mir vielleicht einen Ansatzpunkt geben, mit welchen Prozentsätzen Ihr so einen Blindversuch starten würdet?


Vielen Dank schon einmal und ein schönes 2. Adventswochenende für Euch,
Crispywhisky
Ono
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Re: Schmelzpunkt von Fertigglasuren erhöhen

Beitrag von Ono »

Das kann man so probieren, aber Tonmehl hat vermutlich einen stärkeren Effekt als Quarz, also würde ich eher vom letzteren die höheren Prozente nehmen.
3% Quarzmehl dürften keinen erkennbaren Unterschied machen; 10% Tonmehl aber schon.
Außerdem ist die Frage, ob die Glasur lieber etwas matter (Tonmehl) oder etwas glänzender werden soll (Qaurzmehl).
Crispywhisky
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Re: Schmelzpunkt von Fertigglasuren erhöhen

Beitrag von Crispywhisky »

Ah, vielen Dank, @Ono, das hilft mir schon weiter!
Ob sie matter oder glänzender werden, ist für mich zweitrangig - ich würde einfach gerne schaffen, dass sie auch bei 1200° verwendbar sind.

Wenn Du sagst, 3% Quarzmehl werden vermutlich keinen erkennbaren Unterschied machen, wie hoch würdest Du Quarz einsetzen für einen Test (solo und/oder kombiniert mit Tonmehl). Und ergibt der Versuch Quarz und Tonmehl zu kombinieren überhaupt Sinn?


Sonnige Grüße,
Crispywhisky
Ono
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Re: Schmelzpunkt von Fertigglasuren erhöhen

Beitrag von Ono »

Da die Glasuren ja nur 30 Grad höher gebrannt werden sollen, könnten sie eventuell auch ohne Verbesserung noch funktionieren. Schon Probiert?
Vielleicht haben sie soviel Toleranz. (Aber unten genug abwischen, falls sie doch laufen.)
10% Zugabe ist sicher erstmal sinnvoll zu probieren. Meistens verändern sich Glasuren nicht merklich wegen ein paar Prozenten anderer Zutaten, aber sie können auch plötzlich kippen und ganz anders reagieren.
Ich persönlich würde eher Tonmehl probieren, aber das ist Geschmacksache.
Beides dazumischen würde ich mir erstmal schenken.
(Warum einfach, wenns auch kompliziert geht.)
nicht mehr angemeldet

Re: Schmelzpunkt von Fertigglasuren erhöhen

Beitrag von nicht mehr angemeldet »

10 % Quarzmehl ist sicher okay.
(Ein Anhaltspunkt: 0,1 mol SiO2 = Quarz erhöht die Schmelztemperatur um 20 K = Kelvin, das entspricht einem Segerkegel. Wenn du 2 Kegel höher willst, sind das 0,2 mol = 12 % mehr SiO2)
Gleichzeitig Tonmehl einzuführen kann sinnvoll sein, weil der Glasurcharakter wie auch die Farbe sich stark verändern können, wenn du ausschließlich Tonmehl zugibst. Kommt ganz auf die Glasur an, die du ummodeln willst.

Aaber ...
"ein paar ungeöffnete Fertigglasuren von Jäger" ? - ich hoffe, es sind Pulverglasuren, keine Flüssigglasuren.
Bei Flüssigglasuren haut das nicht hin mit den % Anteilen, da hast du es außer dem Glasurgewicht noch mit einer unkalkulierbaren Gewichtsmenge an Anmachwasser zu tun.

Gruß, Ulrike
Crispywhisky
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Re: Schmelzpunkt von Fertigglasuren erhöhen

Beitrag von Crispywhisky »

Hallo Ono und Ulrike,
vielen Dank für Eure Hilfe, das bringt mich weiter. Gerade was die Zugabemenge von Quarzmehl angeht, tappte ich davor völlig im Dunkeln, weil ich dazu irgendwie keine Anhaltspunkte finden konnte.


nach Euren Gedankenanstößen starte ich wohl mit 3 Tests:
a) 10% Quarz
b) 10% Tonmehl und
c) je 5% von beidem
Den Versatz mit der höher brennenden transparenten Glasur von Jäger spare ich mir erstmal und schaue, wie sich die Glasuren mit diesen Zusätzen verhalten. Das Ergebnis, welches am vielversprechendsten aussieht, nehme ich dann als Ausgangspunkt für weitere Änderungen. Sehr spannend finde ich das! :)
Alles drei sind übrigens Pulverglasuren, was überhaupt der Grund war, dass ich dachte, ich wage mich mal an so Testspäßchen, denn das Ergebnis ließe sich dann ja mit dem restlichen Glasurpulver reproduzieren.


@Ulrike, wenn ich Dich richtig verstehe, kann man diese Regel verallgemeinern? Also in Laiendeutsch übersetzt erhöht jedes Prozent Quarz den Schmelzpunkt einer Glasur um 3,333...K, was gleich viel bedeutet wie um 3,3333....°C. Habe ich das richtig verstanden?



LG, Crispywhisky
nicht mehr angemeldet

Re: Schmelzpunkt von Fertigglasuren erhöhen

Beitrag von nicht mehr angemeldet »

Crispywhisky hat geschrieben:@Ulrike, wenn ich Dich richtig verstehe, kann man diese Regel verallgemeinern?
Nur bei einer geringen Temperaturdifferenz, so einfach ist es nicht. Das geht nur, wenn die Glasurformel dann noch innerhalb der Grenzformel für den von dir neu angepeilten Temperaturbereich liegt, siehe Matthes.
Also Tonerdegehalt und Flussmittelzusammensetzung der Basenseite müssen auch stimmen für die neu gewählte Temperatur, und wenn Bor in der Glasur enthalten ist, muss man das zusätzlich berücksichtigen. Du kannst auf diese Weise keine 1050° Glasur auf 1250° brasseln. Weil die Glasurzusammensetzung dann nicht mehr ausgewogen sein würde, käme es zu einer Vielzahl von Glasurfehlern.
Falls du den Matthes hast, lies mal nach unter "Grenzformeln".
Auch die Zusammensetzung der Segerkegel für verschiedene Temperaturbereiche ist sehr aufschlussreich, du kannst sehen, dass nicht nur der Quarz-, sondern auch der Bor- und Tonerdegehalt sich mit steigender Temperatur ändern.
In deinem Fall ist es aber kein Problem, die Temperaturdifferenz ist ja nicht groß, und so bekommst du einen Anhaltspunkt bezüglich der Menge.
Crispywhisky
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Re: Schmelzpunkt von Fertigglasuren erhöhen

Beitrag von Crispywhisky »

Ulrike hat geschrieben:Nur bei einer geringen Temperaturdifferenz, so einfach ist es nicht. Das geht nur, wenn die Glasurformel dann noch innerhalb der Grenzformel für den von dir neu angepeilten Temperaturbereich liegt, siehe Matthes.
Also Tonerdegehalt und Flussmittelzusammensetzung der Basenseite müssen auch stimmen für die neu gewählte Temperatur, und wenn Bor in der Glasur enthalten ist, muss man das zusätzlich berücksichtigen. Du kannst auf diese Weise keine 1050° Glasur auf 1250° brasseln. Weil die Glasurzusammensetzung dann nicht mehr ausgewogen sein würde, käme es zu einer Vielzahl von Glasurfehlern.
Das wäre ja auch überraschend einfach gewesen :wink:

Ulrike hat geschrieben:Falls du den Matthes hast, lies mal nach unter "Grenzformeln".
Den bekomme ich leider erst an Weihnachten :oops: Ich hatte ihn mir von "meinem" Keramiker vor 2 Monaten mal für ein paar Tage leihen dürfen und habe beim Lesen schnell gemerkt, dass dieses Buch sehr spannend ist und die Möglichkeit gibt, sich wirklich in das Thema einzuarbeiten (zumindest scheint es mir so), ich aber in ein paar Tagen wirklich wichtiges Basiswissen nicht ausreichend verinnerlichen kann, dazu ist mir das Thema zu umfassend. Meine Erfahrung an selbst hergestellten Glasuren beschränkt sich bislang auf das, was ich in einem Wochenendkurs zu Lehm- und Ascheglasuren lernen konnte. Aber ich lerne ohnehin am besten, wenn ich mir Praxiserfahrung anschließend theoretisch herleiten kann oder theoretisch erschlossenes anschließend praktisch erfahre - daher experimentiere auch gerne :)

Es ist halt beschämenderweise so, dass ich mich in mittlerweile über 20 Jahren Hobbytöpfer-Zeit bisher immer auf die Glasuren beschränkt habe, die in der jeweiligen Werkstatt genutzt wurden. Erst jetzt fange ich an mich mit dem Thema Glasuren auseinander zu setzen, seitdem ich einen eigenen Ofen habe und mich die beiden Keramiker, in deren Werkstatt ich inzwischen zu Kursen gelandet bin, dazu ermuntern Neues auszuprobieren und tiefer in die Materie einzusteigen. Und ich merke dabei, dass es riesig, anspruchsvoll und hochinteressant ist :lol:


Schöne Grüße,
Crispywhisky
nicht mehr angemeldet

Re: Schmelzpunkt von Fertigglasuren erhöhen

Beitrag von nicht mehr angemeldet »

Na dann, viel Erfolg :wink:

Falls du mit Englisch klarkommst und nicht so lange warten willst, hier eine Übersicht zu Grenzformeln von John Hesselberth:
http://frogpondpottery.com/articles/gla ... rature.pdf

(WeihnachtsThread, Montag 22. Dezember 2014, 11:48)
viewtopic.php?f=17&t=4637&p=19737

Gruß, Ulrike
Crispywhisky
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Re: Schmelzpunkt von Fertigglasuren erhöhen

Beitrag von Crispywhisky »

Super, danke Ulrike, ich werde mir beides heute mal in Ruhe durchlesen! Mein Englisch reicht - denke ich - aus.
Den Thread hatte ich sogar schonmal gelesen, keine Ahnung, warum der mir jetzt bei meiner Fragestellung nicht mehr einfiel.


Einen schönen Adventssonntag wünsche ich,
Crispywhisky
Crispywhisky
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Re: Schmelzpunkt von Fertigglasuren erhöhen

Beitrag von Crispywhisky »

@Ono und Ulrike,
bitte entschuldigt, dass ich solange nichts berichtet habe. Die letzten Wochen vor Weihnachten sind immer Wahnsinn - wie bei Euch Keramikern sicherlich auch.

Aber da ich am 3. Advent gebrannt habe, wollte ich Euch auf jeden Fall noch vom Ergebnis berichten, Ihr habt mir da wirklich toll geholfen.
Getestet habe ich 3 Fertigglasuren von Jäger für einen Brennbereich bis 1170°C. Alle drei habe ich in jeweils 3 Proben mit ...
a) 10% Quarzmehl
b) 5% Quarzmehl und 5% Tonmehl
c) 10% Tonmehl

... vermischt und auf das Teststück aufgetragen und das Ergebnis fand ich schon erstaunlich (leider kann man es auf dem Foto nicht so gut erkennen - ich bin nicht sonderlich geübt darin, Keramik zu fotografieren)
Die erste Glasur namens "Nachtblau" sieht mit 10% Quarzmehl deutlich blauer aus als mit Tonmehl. Die Probe mit Tonmehl hat für mich kaum noch erkennbare Blauanteile
Die grüne Glasur sieht für mich in allen drei Varianten eigentlich gleich aus. Wenn ich Unterschiede im Glanz wahrnehme, bin ich mir im nächsten Moment nicht sicher, ob ich mir das nicht eben nur eingebildet habe.
Die dritte Glasur namens "Perlmutt" wiederum sieht bei nahem Betrachten mit Tonmehl etwas seidiger aus als mit Quarz und die Farbgebung wirkt irgendwie lebendiger. Leider erkennt man das auf dem Foto nicht, man muss den Vergleich direkt vor Augen haben.


Bild


Für mich ist das sehr interessant zu erleben, wie sich die Unterschiede zeigen und es animiert mich, tiefer einzusteigen. Zumal ich wirklich Schwierigkeiten habe zu verstehen, wieso eine Substanz, die nur dispergiert und sich nicht wirklich in der Glasurflüssigkeit auflöst (also wie hier Quarzmehl z.B.), den Schmelzpunkt der Gesamtmischung beeinflusst. Meiner Logik nach müssten sich dann nach dem Brand einzelne ungeschmolzene Teilchen in einer geschmolzenen Masse befinden. Aber ich bin jetzt zu Weihnachten mit Literatur (Matthes und Rhodes/Hopper) versorgt worden und schau mal, ob ich mich da nicht aufschlauen kann :)


LG, Crispywhisky
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