kalkspatz Auslandsinfo

Osteuropa

Europa jenseits der magischen Grenze nach Osten war im Bereich der Keramik für uns eine "terra incognita". Doch in den Jahren seit dem ersten Erscheinens dieses Infoheftes hat sich dort die Welt auf den Kopf gestellt.
Osteuropas ist jetzt offen - wie weit für Arbeitswillige ist unklar, aber für Neugierige bestimmt.
Schon länger offen ist Ungarn, wo es auch eine internationale keramische Szene gibt. Sehr bekannt ist das keramische Zentrum in Kecskemet (viele workshops) und Siklos, aber es gibt noch andere z. B. in H-4031 Debrecen.

Literatur

Tschechische / Slowakische Republik

Aufenthalt in den Ländern bis zu 30 Tage ohne Visum möglich

Wir sind eine Gruppe von tschechischen Keramikern, die in der Moldaustadt Brno und Umgebung wohnen. Wir würden gerne in Kontakt mit europäischen Töpfern kommen, die an tschechoslowakischer Keramik interessiert sind. Es wäre uns eine große Freude, wenn andere europäische Keramiker unser Land und unsere Werkstätten besuchen würden. Wir können für die Unterkunft sorgen und Besucher durch die verschiedenen Werkstätten führen. Auch andere Aktivitäten wie Arbeits- oder Studienaustausch und Ausstellungen würden wir gerne durchführen. Interessenten können wir Dias unserer Arbeiten und Informationen über unsere Arbeitsweise und Ausrüstung zusenden.
Kontakt:
Vladimir Groh
Veronezske nam 3
625 00 BRNO

Schulen

Keramikschule in Bechyne


Polen

Aufenthalt im Lande bis zu 90 Tagen ohne Visum möglich

Studienaufenthalt in Polen, Juni 88
Für polnische Künstler gibt es ein großes Werkstattproblem. In Wroclaw gibt es ca. 600 Objektkünstler, die sich in 20-30 Arbeitsorte teilen. So arbeiten die polnischen Künstler je nach Verfügbarkeit eines Ateliers. Von Zeit zu Zeit werden in staatlichen Fabriken Symposien von Bevollmächtigten der Region veranstaltet. Rohstoffe, Werkzeuge, Öfen und Arbeitsplätze werden für ein oder zwei Monate pro Jahr zur Verfügung gestellt. Nachher werden die Werke in der Fabrik oder in einem nahegelegenen Kulturzentrum ausgestellt.
Um den Beruf auf diese Weise auszuüben, ist es notwendig ungebunden und mobil zu sein, denn die Fabriken sind über das ganze Land verstreut.
Wir hatten eine große Werkstatt zur Verfügung, die wir mit einem Maler, einem Bildhauer und einigen Schülern der Keramikschule Wroclaw teilten.
Der Besuch in der Keramikschule in Wroclaw hat uns sehr beeindruckt, sowohl in der Qualität des Unterrichts als auch im Reichtum und in der Vielfalt der ausgestellten Diplomarbeiten. Der skulpturale Aspekt ist hauptsächlich vertreten, da ja in Polen die Gebrauchskeramik in den Fabriken hergestellt wird.
Einige Tage vor unserer Abreise gingen wir nach Bolestawiec. Dies ist eine kleine Stadt im Süden des Landes, wo sich sechs Keramikfabriken befinden. Diese stellen ausschließlich Gebrauchskeramik, Gartenkeramik, Sanitärkeramik etc. her. Die lokalen Tonvorkommen und andere Rohstoffe haben diese Entwicklung begünstigt.
Eine dieser Fabriken, die Kanalisationsrohre herstellt, organisiert seit 20 Jahren im September eine Werkstatt für Künstler aus dem Lande (15-20 Teilnehmer). Am Ende dieser Veranstaltung werden die im allgemeinen monumentalen Werke dem Publikum vorgestellt.
Francoise Frösch und Marianne Brand


Rumänien

Visum erforderlich

Töpferei in Transylvanien
Korond war eines der größten Töpferzentren im ungarischen Srachkreis des letzten Jahrhunderts und ist es immer noch. Der Name der Siedlung erscheint zum ersten Mal 1333 auf einem Dokument, aber es gibt vielfältige Gründe für die Annahme, daß sie schon früher existierte und zweifellos ist der Gebrauch des örtlichen Tons genauso alt. Nicht nur in Korond, sondern in der ganzen Region Szeklerland gab es schon früh Kleinindustrie, speziell wo die Böden nicht allzu fruchtbar waren.
In Korond wurden verschiedene Tone unterschiedlicher Qualität gefunden, die zur Herstellung unglasierter Kochtöpfe und Wasserbehälter, aber auch von Ofenkacheln tauglich waren. Die Töpferei muß sich dort schon im Mittelalter entwickelt haben.
Das Handwerk wurde durch den Szekler-Orden begünstigt, der die Verteilung des Bodens, die Selbstverwaltung der Gemeinden, die Wirtschaft und den Handel regulierte. Das Holzschlagen in den Wälder war genauso kontrolliert wie das Brennen der Öfen. Es wird angenommen, daß die Brennöfen in Gemeinschaftsbesitz waren. Sogar zu Beginn des 20. Jahrhunderts teilten sich immer noch jeweils 10 Töpfer einen Ofen. Da die Koronder Töpfer nicht in einer Zunft organisiert waren, mußten sie preiswerte Keramik herstellen, was die technische Entwicklung in den Werkstätten beschleunigte.

Seit dem Mittelalter gab es auch schon einen zweiten Handelsartikel: Salz. Das örtliche Mineralwasser enthält 20% Salz und wurde in die Töpfe aus Korond abgefüllt. Das half den Töpfereien auch in Zeiten wie der Krise zwischen 1886 und 1914 zu überleben, in denen die Nachfrage nach Keramik gering war. In dieser Zeit verschwanden außer in Korond fast alle Töpfereien.
Während des ersten Weltkrieges, als eiserne Kochgefäße nicht zu bekommen waren, produzierten die Töpfer Massen von billigen Kochtöpfen und begannen eine andere Tonsorte zu benutzen, die die Fertigung in Formen und damit die Beschäftigung von geringer qualifizierten Arbeitern und eine wesentlich kostengünstigere Produktion erlaubte.

Nach dem Kriege wurde dekorierte Keramik im deutschen, sächsischen, ungarischen oder rumänischen Stil hauptsächlich für die städtische Mittelklasse hergestellt
Fast die Hälfte der Produktion hatte ihren Absatzmarkt in dem alten Totenkult, den die Rumänen 'Pomania' nennen. Wesentlicher Bestandteil dieses Ritus ist eine Gabe von Speisen und Getränken, die zweimal jährlich den Verstorbenen angeboten werden. Dafür wurden jedesmal neue Tongefäße verwendet.

Da es nur wenig dekorierte Töpferware auf dem Gebiet des alten Rumäniens gab, wurde die glasierte Irdenware der Koronder Töpfer auf den Pomana-Märkten des alten rumänischen Königreichs gekauft. Solche Märkte hießen 'Mos' auf rumänisch, und so wurden diese Art von Gefäßen 'Mos' von den Szekler-Ungarn in Korond genannt.

Nach 1950 sammelte einer der besten alten Töpfer, Lajos Pali, die alten Muster der Töpfe von verschiedenen erloschenen Szekler Töpferzentren, die heute sein Sohn Antal Pali zusammen mit seiner Frau Rozalia Kovacs zu Dekoration der schönsten glasierten Keramiken Koronds benutzt. Sie verwenden die Farben der Natur: gelb, braun, grün und blau, wobei sie die Pigmente und Glasuren selber herstellen. Dieses Farbmuster, das in Eurasien seit dem frühen Mittelalter benutzt wurde, hat sich in seiner reinsten Form im Szeklerland erhalten.

Nicht weniger als 750 Familien verdienen heutzutage in Korond ihren Lebensunterhalt durch Töpferei; der Großteil ihrer Produktion besteht jedoch aus Touristenware, der sowohl die Tradition als auch die Funktionalität fehlt und die keinerlei ästhetischen Wert besitzt. So sind die Aktivitäten der Familie Pali eine große Ausnahme und der beste Weg der Koronder Tradition zu folgen.
Marta Kocsi, Lajos Csomor

Rumänien hält für jeden Keramikbegeisterten einen ganz besonderen Leckerbissen parat: Ein altes, kraftvolles Handwerk, das sich bis in die heutige Zeit ohne Brüche erhalten hat.
In fast allen anderen europäischen Staaten wird heute zum größten Teil folkloristische, kunsthandwerkliche oder künstlerische Keramik mit neumodischen Ansprüchen und Sinngebungen hergestellt, die Ihren direkten Bezug zum alten ländlichen Handwerk verloren hat. Das von allen gesuchte "Ursprüngliche" ist dabei nur noch ein billiger Abklatsch oder Ziel eines dahergeredeten künstlerischen oder handwerklichen Wollens.
Anders in Rumänien: Durch jahrelanger Isolierung und ruinierter Wirtschaft konnten sich in der Töpferei, aber auch bei allen anderen Handwerken, kaum die rasanten Entwicklungen wie sonst in Europa durchsetzen. Dies betrifft sowohl die Technologie, die Formen und Dekore, Verkauf und Vertriebswege und das handwerkliche Ethos. Wo jeglicher Transport nur mit größten Anstrengungen bewerkstelligt werden konnte, Materialknappheit nur die Verwendung althergebrachter Baustoffe (Holz) zuließ, extreme Stromknappheit nur den Holzbrand zuließ, viele Leute nie über Ihre Dorfgrenzen hinauskamen, und erst recht die westliche Konsumgesellschaft unerreichbar weit lag, blieb das Handwerk auf einer Stufe, die in anderen Ländern nur im Museum zu betrachten ist. Da der Balkan durch die Veränderungen der letzten Jahre erst recht zum europäischen Hinterhof ohne Aussicht auf gesellschaftlichen Aufschwung wurde, wird sich auch zukünftig die Situation der Töpferei kaum verändern.

Beschrieben sollen hier nur drei Töpferzentren. Ansonsten sei auf das Buch von Horst Klusch (Kronstadt), "Siebenbürger Keramik" verwiesen.
Das Töpferdorf Corund im Zentrum Siebenbürgens ist ein Beispiel ursprünglicher ungarischer Töpferei, die in Ungarn so nicht mehr zu finden ist. Circa sechs als kleine Familienbetriebe arbeitende Töpfereien liegen an der Hauptstraße des Dorfes. Hergestellt wird eine weiß engobierte und dann mit Malhorn und Pinsel bemalte Ware. Gebrannt wird in Holzöfen mit aufsteigender Flamme. Sie haben keine Kuppel, sondern werden mit Scherben abgedeckt.

Der Nordosten Rumäniens, die Bukowina, ist ein Zentrum rumänischer Keramik. Als erstes sei hier die Schwarzkeramik aus Marginea (sprich mardshina) erwähnt. In mehreren Betrieben wird in diesem großem, fast ausschließlich aus Holzhäusern bestehenden Dorf, in Erdöfen die Keramik geräuchert. Als Dekor polieren Frauen mittels Kieselsteinen kreis- und rautenförmige Muster auf den Scherben.
Eine einfache, glasierte Keramik wird in vielen anderen Dörfern in der Bukowina produziert. Der weiß engobierte Scherben ist mit Mustern und Figuren aus Bibel und Volkskunde beritzt. Die Flächen werden vornehmlich mit gelben und grünen Farben ausgemalt. Auch in Deutschland ist die seit Generationen arbeitende Töpferfamilie Colibaba bekannt. Constantin Colibaba arbeitet in einem originalgetreuen Nachbau der Werkstatt seiner Vorfahren im Volkskundemuseum Radauti (sprich rada-utz). Er dreht seine Gefäße im Stehen an der Fußscheibe. Gebrannt wird in einem Holzofen mit waagerechter Flammenführung. Ähnliche, aber nicht so vollendete Keramik wird auch in den Dörfern um Radauti hergestellt: in Putna, Paltinosa, Piriul Negrei, Cacica etc.
Jens-Peter Planke


Bulgarien


Bulgarische Töpferei wird in Europa und Übersee fast ausschließlich mit der sogenannten Federmalerei verbunden. Bei dieser Art der Dekoration werden mit dem Malhorn auf ein frisch engobiertes Gefäß Ringe gezogen und Tropfen gesetzt, die in der Engobe herabfließen. Mitunter werden diese Ringe zusätzlich mit einem Federhaar herabgezogen. Es entsteht das Bild eines Pfauenrades.

Ein Zentrum dieser Art der Töpferei ist um die Stadt Trojan, am Trojan-Gebirge gelegen. Töpfereien findet man in den Orten Schipkovo, Trojan, Beli Osam oder Tershisko. Die Keramik dieser Gegend würdigt das Keramikmuseum im Zentrum Trojans. Die Töpferei war ursprünglich ein Nebenerwerb zur Landwirtschaft und wurde in kleinen Familienbetrieben ausgeführt. Die Voraussetzung war ein reichlich vorkommender rotbrennender, ziemlich sauberer und sandiger Ton. Hergestellt wurden vor allem Gefäße für den bäuerlichen Gebrauch, die auf einfache Art und Weise mit dem Malhorn, Pinsel oder Ritzmesser dekoriert wurden. Mit dem Wegfall der ursprünglichen Verwendung hat sich eine folkloristische, dekorative Keramik entwickelt. Sie ist besonders in den Vereinigten Staaten bei den in mehreren Wellen ausgewanderten Bulgaren äußerst beliebt und der Inbegriff bulgarischen Kunsthandwerks.
Heute wird die Keramik meist in Betrieben mit 3 bis 20 Arbeitern, meist handwerklich produziert. Vereinzelt halten sich auch noch traditionelle, allein arbeitende Töpfer. Lediglich die Fabrik in Trojan hat zwei Tunnelöfen und mehr Arbeiter. Leicht nachzuvollziehen ist die Entwicklung der Technologie aus der traditionellen Töpferei. So ist selbst bei den exportorientierten Werkstätten die Aufbereitung der einheimischen Tone nur mit Quetschwalzen und Schneckenpresse denkbar einfach. Der Schrühbrand wird fast durchweg in alten Holzöfen mit aufsteigender Flamme, mit oder ohne Kuppel, durchgeführt. Der Glattbrand dagegen geschieht in Elektroöfen zwischen 1000 und 1100°C.
Ich hatte im Sommer 1988 die Gelegenheit, zwei Wochen bei einer Familie in Schipkovo zu wohnen, und in dieser Zeit mit ihrer Hilfe fast alle Betriebe zwischen Trojan und Schipkovo zu besuchen. Einblick in die ursprüngliche Keramik bekam ich durch den Schwiegervater dieser Familie, der bis zum 70sten Lebensjahr seine kleine Töpferei in Tershisko betrieb. Er hat ausschließlich unglasierte Gebrauchsware hergestellt, die in einem Holzofen gebrannt wurde.
Eine zeitweise Mitarbeit in den besuchten Werkstätten war nicht nur durch diverse sozialistische Zwänge (heute ersetzt durch grassierende Arbeitslosigkeit) unmöglich. Auch die Gastfreundschaft der Bulgaren verbietet solch eine Mitarbeit der Besucher. Dessen ungeachtet bieten sich genügend Möglichkeiten, Anregungen und Erfahrungen mitzunehmen. Sei es bei der Tonaufbereitung, den Töpferscheiben, an der man seitlich und aufrecht sitzt, einem Tellertrockner aus Drahtschlingen oder der höchst effektiven Art, in den Holzöfen beispielsweise Teller zu stapeln.
Jens-Peter Planke


Rußland

Visum erforderlich. Visa für die Teilstaaten der ehemaligen Sowjetunion erhält man über die Botschaft Rußlands.

Ein Töpfer aus Gzhel
Der Name der Region Gzhel, etwa 60 km von Moskau entfernt, klingt wie das russische Wort zhech ("Brennen"). Gzhel ist seit langer Zeit bekannt für seine großen Vorkommen an Töpferton und nimmt einen herausragenden Platz in der russischen Tradition der Volkskeramik ein. Die Majolika aus den Gzhel des 18.Jahrhunderts war der Beginn der bemalten Volkskeramik, die dann von Halb-Fayence und Porzellan im 19.Jahrhundert gefolgt wurde.
Porzellan aus Gzhel ist beliebt in Rußland und kann sofort an seinen charakteristischen blau-weißen Mustern und Formen erkannt werden.
Gennady Denisov, heute 64, wurde im Dorf Turigino bei Gzhel geboren. Sein Vater war ein Brennmeister und seine Erinnerungen aus der Kindheit sind mit der kleinen Fabrik verbunden, in der der Vater arbeitete.
Denisov studierte an der Abramtsevo-Schule für Industrie-Design und begann vor 20 Jahren Keramikfigürchen in der Tradition von Gzhel zu machen. Er schuf eine ganze Serie, die aus den Charakteren und Geschichten der russischen Volkserzählungen entstanden ist. Die Figürchen sind wie einfaches russisches Spielzeug geschaffen: dekorativ und simpel in der Form. Denisovs farbenfrohe Bemalung kontrastiert stark mit dem weißen Untergrund. Der Geist und Charme der russischen Volkskunst wird in diesen Figuren eingefangen.
Nina Mukhotina, Moskau


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