Ökologisch töpfern?

Maschinen, Werkzeuge, Tone etc.
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Joh.
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Ökologisch töpfern?

Beitrag von Joh. »

Hallo!

"Wir Töpfer sind wohl die größten Umweltsünder überhaupt!" - so sagte es eine erfahrene Töpferin zum Thema Elektrobrand und ließ es dabei.

Meine Frage aber ist, wie kann man so ökologisch wie möglich töpfern, ohne den Spaß zu verlieren, und mit den Mitteln, die einem fortgeschrittenen Anfänger zur Verfügung stehen? Ökologisch heißt im Falle Keramik wahrscheinlich v.a. möglichst energiearm und mit möglichst umweltverträglichen Stoffen.

Beim Thema Ton bin ich schon recht weit gekommen: nass, besser halbnass aufbereiteter Ton ist gegenüber dem trocken aufbereiteten deutlich energieärmer. Auch kann man darauf achten, dass die Tone und Beimengungen möglichst nicht von weit her transportiert werden müssen. Da bin ich bei der Firma Witgert gelandet.

Was den Brand - wir haben einen Elektro-Toplader - angeht, fällt mir bislang nur ein, zu versuchen, den Ofen bestmöglich auszunutzen und so wenig Brennstützen, -platten etc zu verwenden, die ja mit aufgeheizt werden müssen. Naja und Ökostrom halt. Hier bin ich offen für Ideen. Klar, ich könnte mit Holzbrand oder so experimentieren, aber dafür bin ich noch nicht weit genug.

Bei Glasuren tappe ich völlig im Dunkeln...

Und gibt es weitere Themen, die ökologisch relevant sein könnten?

Bin sehr gespannt auf eure Antworten!
Joh.
hille
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Registriert: Donnerstag 24. August 2006, 10:29

Re: Ökologisch töpfern?

Beitrag von hille »

Großes Thema mit vielen Aspekten. Ich möchte da ein bisschen auseinanderdröseln.

1. Ökologisch im Sinne vom Umgang mit Giftstoffen: Giftstoffabfälle gar nicht erst entstehen lassen. Für den Hobbykeramiker heißt das in erster Linie getrenntes Waschwasser für verschiedene Glasuren und den Bodensatz wieder zur entsprechenden Glasur geben. Gemischte Reste kann man in geringen Mengen auch einfach zu einer dunklen Glasur kippen, das wird bei deren Endergebnis keinen Unterschied machen.
Sollte trotzdem was entsorgt werden müssen, ist es schwieriger als gedacht. Ich bin früher einmal im Jahr brav zum Sondermüllmobil gelaufen um dort ein halbes Marmeladenglas gemischtes Irgendwas abzugeben. Das wollten sie irgendwann nicht mehr haben, sondern sagten, ich solle das in den normalen Hausmüll werfen, der werde eh verbrannt. Für große Mengen gibt es natürlich Entsorger, aber diese Mengen hat ein Hobbykeramiker und auch ein Profi-Einzelkämpfer normalerweise nie.

2. Ökologisch im Sinne vom Energieverbrauch: Du sagst es bereits, Ofen voll brennen, so wenig Brennhilfsmittel, wie möglich, Lochplatten verwenden. Einen modernen Ofen mit guter Isolierung verwenden. Alte Öfen aus den 80ern oder so verbrauchen viel mehr Energie und Brennöfen sind keine Glühbirnen, das haut so richtig schön rein. Allerdings kostet ein neuer Ofen so einiges. Ich muss aber auch noch sagen, ich hab auch mit einem alten Brummer angefangen, weil es nicht anders ging und habe seit 10 Jahren neue Öfen, ich habe mit den neuen auch weniger Ausschuss, weil die Wärmeverteilung besser ist.
Schrühbrand so niedrig wie möglich und so hoch wie nötig. Geraten die Glasuren später nicht, weil zu niedrig geschrüht wurde, hat man nichts gewonnen. Kann man sich rantasten.
Glasurbrand gerade beim Hobby, tja, 1050° sind natürlich viel sparsamer als 1250°. Da muss man sich überlegen, wofür die Keramik anschließend dienen soll.
Ökostromanbieter nutzen oder, wenn möglich, Strom selber erzeugen.

3. Ökologisch im Sinne Herkunft und Herstellung der Rohstoffe. Gaaaaaaanz schwierig. Da verfahre ich nach dem Prinzip nichts verschwenden, nichts unnötig kaufen, was besseres fällt mir nicht ein. Tonreste wieder aufbereiten.

4. Und mal ganz grundsätzlich: Keinen hässlichen Mist machen, der weder Arbeit noch Energie- und Rohstoffverbrauch rechtfertigt. :green:
Ich bin NICHT der Meinung, das Keramiker die größten Umweltschweine überhaupt sind. Aber ich bin mir durchaus bewusst, dass ich teilweise problematische Rohstoffe und sehr viel Energie verbrauche, um mein Endprodukt herzustellen. Da sehe ich mich in der Verantwortung, dass dieses Produkt auch so gut wie möglich ist. Dass die Leute es nutzen, nutzen, nutzen, weil es ihnen ans Herz gewachsen ist, aber auch deshalb, weil es gut funktioniert. Was nutzt die schönste Teekanne, wenn die sabbelt wie Sau und deshalb doch nicht benutzt wird. Und solange die Keramik nicht runterfällt oder massiv irgendwo anstößt, kann sie ja unendlich lange benutzt werden und ich würde mich definitiv freuen, wenn meine heutigen Kunden die Sachen ihren Enkeln und Ururururur... weitervererben und die sie immer noch mögen. Gutes Handwerk ist ein Statement gegen die Wegwerfkultur!
Maria Ortiz Gil
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Re: Ökologisch töpfern?

Beitrag von Maria Ortiz Gil »

Tolles, kompliziertes Thema !!!

ich schließe mich der Meinung von Hille an, dass gutes Handwerk ein Statement gegen die Wegwerfkultur ist, aaaaber..., der menschliche Geist, oder seine Seele, leben nicht nur von funktionalem Gerät, sondern staunen, wundern, freuen oder erschauern auch über noch nie gesehene, besondere Objekte! Sonst wären wir heute noch bei den einfachen Steinzeit-Töpfereien (gegen die grundsätzlich nichts zu sagen ist). Oder wir würden einfach aus einer leeren Tomatendose trinken, das geht auch.

Töpfern ist eigentlich nicht ökologisch vertretbar, schon gar nicht in unserer Zeit, wo es von allem schon zu viel gibt.
Das muss einem schon klar sein, wenn man Keramik macht. Auch wenn es scheinbar so gut in das urige Natur-Styling-Landleben-Waldschrat-Bild passt. Das menschliche Leben an sich, ist nicht ökologisch.

Zum Technischen: gut volle Öfen zu brennen ist schon mal ein erstes Kriterium. Wie schwierig aber, wenn man nichts hat, was zwischen größere Stücke passt um den verlorenen Platz aus zu füllen. Soll man sich dafür extra Objekte einfallen lassen? Als Töpfer der Serien produziert, die er dann zum Verkauf anbietet, ist das sicher vernünftig. Man müsste aber ausrechnen können, ob die freien Lücken nicht weniger Strom verbrauchen als der mit kleineren Objekten ausgefüllte Platz. Was Hobbykeramikern sicher schwerfällt:
zu warten bis man den Ofen gut voll bekommen hat. Wenn man nur einige Stunden in der Woche Zeit hat, kann das eeewig dauern. So viel Geduld müsste man aufbringen.

Ein Rezept um Strom zu sparen: roh glasieren mit einer Sinterengobe aus 7 Gewichtsanteilen weißem Ton oder Porzellanmehl und 9 Anteilen Wollastonit. Dann im Einbrand bei 1200 Grad oder mehr fertig machen. Die Sinterengobe kann man beliebig einfärben. Sie ergibt eine gute, seidenmatte Oberfläche die auch sehr gut für Geschirr geeignet ist. Man spart dann den Schrühbrand. Über das Einbrandverfahren ist hier im Forum schon geschrieben worden. Diese Technik eignet sich übrigens auch sehr gut für Töpferkurse mit Kindern. Die Sinterengobe kann mit weichem Pinsel doppelt aufgetupft werden und greift sich wegen dem hohen Tonanteil kaum ab. Es kann höchstens sein, dass die rohen Katzenöhrchen und Kaspernasen beim Hantieren leichter abbrechen, aber die kann man gut auch im trockenen Zustand mit einer Mischung aus Ton und Makulatur (3 zu 1) wieder ankleben und die Bruchstelle mit Sinterengobe wieder bepinseln. Abgesehen vom Stromersparnis, ist der Brennablauf in den Schulen dann auch viel einfacher, wenn nur ein mal gebrannt wird.

Nicht hunderte von Glasuren ausprobieren die man später nicht mehr benutzt, sondern sich von einer zur anderen entlang arbeiten, bis man das Richtige für sich gefunden hat. Auf besonders schädliche Stoffe verzichten und falls das nicht sein soll, dann nur die benötigten Mengen kaufen und nicht mehr. Da kann man zum Beispiel auch hier im Forum anfragen, wer vor irgend einem Stoff zu viel hat und gerne etwas abgeben möchte. Sorgsam mit den Glasurabfällen umgehen. Nicht in die Kanalisation kippen.
Das sind eigentlich alles Selbstverständlichkeiten.

Grünwaschen können wir Töpper uns aber nicht.
Joh.
Beiträge: 25
Registriert: Montag 3. Februar 2020, 11:10

Re: Ökologisch töpfern?

Beitrag von Joh. »

Hallo! Danke für die fruchtbare Diskussion. Gern mehr :-)

Weil es bestimmt auch andere interessiert, hier die Angaben der Firma Witgert zu "ökologischen Massen"

"Bezüglich der energiearmen Aufbereitung verhält es sich folgendermaßen: Prinzipiell gibt es drei verschieden Aufbereitungsmethoden, die allesamt dem Zweck dienen, die natürlichen Tone von natürlichen Verunreinigungen zu befreien oder diese zumindest unschädlich zu machen:
Nass-Aufbereitung: Bei dieser Methode wird der Ton in Wasser zu einer Suspension (Schlicker)aufgeschlämmt, diese über Vibrationssiebe abgesiebt und anschließend in Filterpressen mechanisch rückgetrocknet. Durch den Siebschritt können natürliche Verunreinigungen weitgehend entfernt werden. Da der Ton nie thermisch getrocknet wird, bleibt die natürliche Plastizität völlig erhalten. Es ist keine thermische Energie und nur wenig elektrische Energie nötig, allerdings viel Manpower, wodurch diese Methode zwar die qualitativ hochwertigste, aber leider auch die teuerste ist.
Halbnass-Aufbereitung: Bei dieser Methode wird der Ton im grubenfeuchten Zustand über ein Präzisionsfeinwalzwerk gegeben. Hier werden die natürlichen Verunreinigungen auf ein Maß < ~ 0,8 mm zertrümmert, bleiben aber im Ton enthalten. In schamottierten Massen fällt das bei der Verarbeitung nicht weiter auf, bei unschamottierten Drehmassen kann es jedoch zu Problemen durch Riefenbildung beim Abdrehen kommen. Außerdem können diese Verunreinigungen bei hohen Brenntemperaturen und aggressiven Glasuren zu Ausschmelzern (Spots) auf der Oberfläche führen. Dies kann der Oberfläche eine große Lebendigkeit verleihen, es kann jedoch auch ungewollt sein. Dies liegt im Auge des Betrachters. Da es auch bei dieser Aufbereitungsmethode keine thermische Trocknung gibt und noch weniger elektrische Energie und auch Manpower benötigt wird als bei der Nass-Aufbereitung, ist diese Methode die energiesparendste und gleichzeitig auch günstigste, sicherlich auch die natürlichste. Die natürliche Plastizität bleibt auch hier völlig erhalten.
Trocken-Aufbereitung: Hier wird der grubenfeuchte Ton unter Erzeugung von Heißgas mittels Erdgas oder Heizöl bis zu einer Restfeuchte < 1 % getrocknet und gleichzeitig gemahlen zu Mehl. Natürliche Verunreinigungen bleiben zwar auch hier im Material enthalten, werden aber so fein vermahlen, dass sie nicht weiter stören. Durch die thermische Trocknung geht aber leider auch ein Teil der Plastizität verloren. Für diese Methode wird vergleichsweise viel thermische Energie und darüber hinaus auch elektrische Energie benötigt, dafür relativ wenig Manpower. Energetisch hat diese Methode sicherlich den höchsten CO2-Footprint, kostenseitig liegt sie in der Mitte zwischen den beiden anderen Verfahren."

Beste Grüße, Joh.
Bebi
Beiträge: 6
Registriert: Sonntag 16. Februar 2020, 11:28

Re: Ökologisch töpfern?

Beitrag von Bebi »

Ja ein Thema über das ich auch schon gegrübelt habe. Ich arbeite mit Porzellan und das ein Ofen relativ viel Strom zieht, ist klar. Ich beruhige zumindest dieses Gewissen mit einem echten Ökostromanbieter, immerhin. Das verwendete Porzellan stammt entweder aus D oder Frankreich, also keine Überseeprodukte, was an sich schon mal gut ist. Tja ansonsten denke ich dass es nicht nur die Töpferei ist, sondern vor allem der sonstige Lebenswandel. Ich fahre kein Auto, bin Vegetarier und fliege nicht (mit dem Flugzeug :lol: ), ich kaufe wenn möglich regional und plastikfrei, säubere den Strand wenn ich dort spazieren gehe usw. So denke ich, gleicht sich das etwas un-ökologische Porzellan brennen wieder aus. Denn an sich sind Tonprodukte und Glas mit Sicherheit schon ökologisch, sie halten lange (oft über Generationen) und werden irgendwann mal wieder zu Tonstaub (wie auch immer :D ), es sind ja im Prinzip Erdprodukte/Erden die die Umwelt nicht verschmutzen in dem Sinne wie z.B. Erdöl und die daraus gewonnenen Kunststoffe. Ist auf jeden Fall ein heikles Thema, bei dem man sich oft auch im Kreis dreht und keine optimale Lösung finden wird. Sicher ist der Energieverbrauch bei der Herstellung von Glas und Tonprodukten sehr hoch aber ich finde das gleicht sich wieder mit der sehr langen Haltbarkeit und Lebensdauer aus. Ich verwende z.B. noch Uromas Glas und Porzellan :-)

@Joh. Super interessant, danke für die Info, ich verwende u.a. auch Witgert Porzellan
Eli
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Registriert: Freitag 28. August 2020, 14:08

Re: Ökologisch töpfern?

Beitrag von Eli »

Sehr spannendes Thema, das mich noch mehr motiviert, selbst Ton zu sammeln und mit eigener Kraft zu reinigen und aufzubereiten. Habe gerade heute erst eine neue Portion zum Trocknen auf die Gipsplatte gegossen... Holzbrand im selbstgebauten Erdofen ist auch ein Thema, das für mich ansteht. Wird aber vermutlich noch warten müssen, weil ich derzeit nur hobbymäßig unterwegs bin und wenig Zeit dafür habe. Christian Kuhtz hat die Verfahren bereits in den 1980er Jahren in seiner Reihe "Einfälle statt Abfälle" beschrieben. Auch, wie man Öfen (aus Schrott) selbst bauen und Strom selbst erzeugen kann. Seine Hefte sind heute aktueller denn je...
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