Oberflächengestaltung im Tonnenbrand (Sulfate/ Oxide)

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lise
Beiträge: 5
Registriert: Donnerstag 7. Juli 2016, 14:28

Oberflächengestaltung im Tonnenbrand (Sulfate/ Oxide)

Beitrag von lise »

Ich setze mich im Moment mit dem Thema Tonnenbrand auseinander und nun sind ein paar Fragen aufgetaucht. Vielleicht kann und mag mir jemand mit seinen Erfahrungen weiterhelfen?

Ich möchte die Oberflächengestaltung experimentell erarbeiten, dafür will ich auch mit färbenden Metallen arbeiten.
- Was eignet sich besser oder welche Vorteile bieten Sulfate, Oxide oder Carbonate?
- Welche eignen sich überhaupt (Kupfer, Eisen,...?) und welche Mengen benötige ich?
- Kann ich die Gefäße um eine Dichte zu erreichen, innen anschließend mit transparenter Glasur glasieren oder geht mein Ergebnis aus dem Tonnenbrand dann verloren?

Ich würde mich sehr über Antworten, Tipps und Tricks freuen!
Keramikfriend
Beiträge: 21
Registriert: Freitag 28. Februar 2014, 12:15

Re: Oberflächengestaltung im Tonnenbrand (Sulfate/ Oxide)

Beitrag von Keramikfriend »

Hallo Lise,
zunächst erst einmal ein Buchtipp zu diesem Thema: Watkins u. Wandless - Niedrigbrand. Da gibt es jede Menge Ratschläge für Ofentypen (u.a. Tonne), Brenmmaterialien (Sägespäne, Holzspäne, trockenes Reisig....) und natürlich Mölichkeiten für eine Oberflächenfärbung (insbesondere lösliche Metallsalze, -oxide, -carbonate). Im Vorfeld wäre der spätere Verwndungszweck abzuklären, ein Benutzung für Lebensmittel scheidet i.d.R. aus. Auch etwaige Überbleibsel in der Tonne gehören nicht in den normalen Hausmüll, wenn Kupfer bzw. Kobalt mit von der Partie waren. Am unkritischsten sind natürlich die Eisenverbindungen, mit denen schöne gelb-orange-rot-Töne je nach Reduktionsbedingungen erzielt werden können. Und damit zu Deiner nächsten Frage eines Nachbrandes zwecks Innenglasur: Damit "killst" Du natürlich Deine tolle Farbgebung (einschließlich Schwarz-u.Grautöne durch Karbonisierung) infolge Reoxydation. Da für solche Brennverfahren temperturwechselbeständige Massen angesagt sind (hochschamottierte Steinzeugmassen) in der Tonne bei ca. 800...1000°C je nach Brennstoff, Packung und Position gebrannt, bleibt Dein Objekt wie Du bereits erwähnst, undicht. Aber es gibt diesbezüglich andere Möglichkeiten zur Abdichtung, zumal es mit einer Innenglasur in diesem Brennbereich sowieso problematisch wäre (Bio: Bienenwachs, Chemie: Dichtungsmittel "W118" der Firma Thomas Wolbring GmbH). Für spektakuläre kontrastreiche Reduktionsfarben sind glatte (ev. polierte) Oberflächen bzw. ein nachträgliches vorsichtiges Behandeln mit Steinzeugpolitur möglich. Farbkontraststeigerung durch eine mit TerraSigillata vorbehandelte Oberfläche ist auch möglich, leider kann es beim Brand in der Tonne durch punktuell extrem starker Reduktion zu späteren Abplatzern kommen, was natürlich bei einer weißen Steinzeugmasse nicht sonderlich gut aussieht. Für das Auf/Einbringen gelöster Metallsalze bzw. Zusätze von Oxiden/Carbonate auf die Objekte bzw. in der näheren Umgebung in der Tonne gibt es auch viel Gestaltungsspielraum. Wichtig wäre, wie eingangs erwähnt, die gesundheitliche Risiken beim Umgang mit z.T. giftiger Substanzen zu beachten.
Alles im allen - ein tolles Experimentierfeld und Überraschungen pur. Viel Spaß damit und Grüße!
lise
Beiträge: 5
Registriert: Donnerstag 7. Juli 2016, 14:28

Re: Oberflächengestaltung im Tonnenbrand (Sulfate/ Oxide)

Beitrag von lise »

Hallo Keramikfriend,

vielen vielen Dank für deine Antwort und Hilfe.

Hast du noch einen Tipp bezüglich der Reduktionsbedingungen für Eisenverbindungen?
Sulfate könnte man ja in Wasser lösen und aufpinseln, Oxide eher in Pulverform in der Umgebung des Tonstückes platzieren....hast du Erfahrungen was im Enddefekt (besser) rauskommt und ob man evtl. auch unterschiedliche Temperaturen erreichen muss?

Liebe Grüße und herzlichen Dank.
Keramikfriend
Beiträge: 21
Registriert: Freitag 28. Februar 2014, 12:15

Re: Oberflächengestaltung im Tonnenbrand (Sulfate/ Oxide)

Beitrag von Keramikfriend »

Hallo Lise,
die Reduktionsbedingungen für Eisen bzw. Kupfer hängen einerseits von der Brennstoffschichtung (Hartholzspäne, -sägemehl; dünnes Gartengehölz...), d.h. wenn locker mit Holzspänen gepackt verläuft der Schwelbrand zu rasch (dafür könnten etwas höhere Temperaturen erreicht werden, zu dichtes Sägemehl führt oft zu staker Karbonisierung, d.h. die hellen Farben werden überwiegend durch Schwarztöne überdeckt. Hier macht es die Mischung. Benutze keine Weichholzabfälle! Wichtig ist außerdem , dass am Brandende Deine Objekte noch mit genügend viel Asche bedeckt bleiben, um die bereits genannte Reoxydation zu unterbinden, d.h. Tonne nicht mit Keramiken überladen. Ich habe für den "Ofenbau" 200Ltr-Fässer benutzt, in denen ich über den Boden Schlitze (ca. 10cm Abstand) gefräst (Flex) habe. Sie sind für den Schwelbrand von oben nach unten nötig. (Im "Niedrigbrandbuch" gibt es auch andere Konstruktionen). Zu der Problematik Sulfate - Oxide, Carbonate: Die letzteren wären eine Option für eine Position neben der Keramik, da ein direkter Kontakt zu Verkrustungen der Oberfläche führen kann. Die löslichen Metallsalze (Eisensulfat, Kupfersulfat, ev. mit Vorsicht Eisen-III-Chlorid) können wesentlich besser appliziert werden. Dabei wäre nur zu beachten, dass Deine Objekte nicht zu nass in die Tonne kommen, da damit die Bruchgefahr ansteigt. Eine bewährte Technik ist das Umwickeln der Keramik mit Stahlwolle und das Übergiessen mit Kupfersulfatlösung. Falls noch Abdrücke von Pflanzen (Farne gehen gut, Seeegras aus der Ostsee bringt etwas NaCl als Farbontrastverstärker mit) erwünscht sind, kann man diese noch mit einbringen, ehe alles sorgfältig mit Baumwollstoff (keine Synthetik) umwickelt wird. Zur Temperatur wäre noch folgendes anzumerken: Falls Du Dich mit Deiner Tonnenkonstruktion/Brennstoffpackung am unteren Ende (ca.750...800°C) bewegst, wirst Du feststellen, dass die anschließende Reinigung mit Wasser bzw. beim Trocknen immer wieder Sulfatausscheidungen beschert. Das reduziert sich stark nach höheren Brenntemperaturen - aber 1000°C sind wirklich nicht leicht zu realisieren. Daher noch ein Tipp zur Schrühtemperarur: Diese sollte schon bei 1000°C liegen, um die nötige Festigkeit zu erreichen. Bei einigen hochschamottierten Steinzeugmassen ("Raku-Massen") wären auch 1050°C machbar, falls höhere Festigkeit benötigt wird. Auf alle Fälle kann die Temperturbelastung an einem Objekt extrem differieren, daher die Forderung nach hoher Temperaturwechselbeständigkeit und Porosität der gewählten Masse. Noch ein Sicherheitshinweis: Beim Herausnehmen der Objekte aus der verbliebenen Asche unbedingt Atemschutz und Handschutz verwenden!
Viel Neugier und gutes Gelingen - sowie Grüße.
Molly
Beiträge: 72
Registriert: Samstag 11. Juni 2016, 18:31
Wohnort: Chemnitz

Re: Oberflächengestaltung im Tonnenbrand (Sulfate/ Oxide)

Beitrag von Molly »

Hallo Keramikfriend,
Ich möchte mich für die ausführliche Beantwortung der Problematik bedanken. Auch ich befasse mich experimentell mit dem Tonnenbrand. Mein erster Versuch brachte verschiedenere Grau und Braumntöne hervor. Allerdings habe ich ohne "alles" den Tonnenbrand gemacht.
Es ist nicht selbstverständlich, das jemand sich die Mühe macht, so ausführlich wie du die Frage beantwortet. Vielen, vielen Dank dafür. In den nächsten Wochen will ich mal mit Eisenchlorid und Bananenschalen experimentieren
LG
Eva
HTTP:// Mollyweisse.wix.com/Evas
lise
Beiträge: 5
Registriert: Donnerstag 7. Juli 2016, 14:28

Re: Oberflächengestaltung im Tonnenbrand (Sulfate/ Oxide)

Beitrag von lise »

Hallo Keramikfriend,

herzlichen Dank für deine erneute sehr ausführliche Antwort!!!
Meine geschrühten Objekte aus Raku-Masse und hochschammotierter Masse stehen bereit. Im Moment bin ich noch am überlegen, ob ich die Objekte noch mit Terra Sigiliatta behandeln soll. Die Tonne will ich nach dem Buch von Watkins noch mit einem Ofenrohr versehen. Und dann kanns hoffentlich bald mit den ersten Bränden losgehen. Ich bin gespannt...
Vielen Dank für die Tipps, das war wirklich hilfreich!

Herzliche Grüße
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