Entwicklungshilfeprojekt in Tansania

Hier werden Artikel fürs nächste Töpferblatt vorveröffentlicht - denn bis zum Erscheinen des Töpferblattes dauert es ja notorisch etwas ...
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Günter
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Entwicklungshilfeprojekt in Tansania

Beitrag von Günter »

Töpfernd weg von der Straße

Blind sein in Tansania – das bedeutet zumeist bettelnd auf der Straße zu sitzen. Das ist traurig, denn eigentlich muß es nicht sein! Denn sehgeschädigte Menschen können durchaus einiges leisten. Doch nun ganz von vorne erzählt von den Betroffenen bis zu einem Töpferprojekt, welches einen Ausweg bietet.

Rahabu erzählt:

Ich bin Rahabu und bin 16 Jahre alt. Ich komme aus Sikonge. Mein Dorf ist mit dem Dalla dalla, einem Sammeltaxi, eineinhalb Stunden von Tabora entfernt.
Meine Mutter ist sehr arm und ich habe sechs Geschwister. Weil mein Vater schon gestorben ist und wir nur ein kleines Feld haben, haben wir fast nur Maisbrei gegessen. Man hat mir gesagt, meine Blindheit käme von der einseitigen Ernährung. Sieben Jahre lang habe ich die „Shule ya furaha“, die Grundschule für Blinde in Tabora, besucht. Das war kostenlos.
Ich bin dort gerne gewesen und war eine gute Schülerin. Die Sekundarschule würde Schulgeld kosten. Deshalb sitze ich seit 2 Jahren zu Hause.
Mama ist sehr traurig, weil ich als ältestes Kind nichts zum Familienunterhalt beitragen kann. Ich fühle mich nutzlos und würde gerne arbeiten.

Rahabus Geschichte ist ähnlich wie die Lebenswege vieler anderer sehgeschädigter Jugendlicher in Tansania. 90 % aller augenkranken und sehbehinderten Menschen leben in den ärmsten Ländern der Welt. Eine häufige Ursache für Blindheit im Westen Tansanias ist - wie bei Rahabu - Vitamin-A-Mangel. Außerdem leiden viele Menschen an Trachom, Flussblindheit und Grauem Star.

Tabora, eine Stadt mit etwa 120.000 Einwohnern im Westen Tansanias. Sie hat etwas Besonderes – eine Blindenschule. Davon gibt es nur eine Handvoll in dem flächenmäßig zweieinhalb Mal so großen Land wie Deutschland. Sie heißt „Shule ya furaha“ – „Schule der Freude“ und nimmt Kinder von der ersten bis zur siebten Klasse auf.
Viele Eltern schicken ihre sehgeschädigten Kinder erst gar nicht in die Schule, aus Schamgefühl, Armut oder Unwissenheit. Oder weil die Schulen bereits überfüllt sind und niemanden mehr aufnehmen können. Besonders Mädchen erhalten häufig keine Schulbildung.
Nach Beendigung der 7. Klasse werden Examen geschrieben. Nur sehr wenige Schüler sind anschließend in der Lage, eine weiterführende Schule zu besuchen.

An diesem Punkt setzt unser Projekt an. Wir sind die deutschen Projektkoordinatoren Gabi und Rainer Bacher. Seit November 2006 wohnen wir gemeinsam mit unseren drei kleinen Söhnen in Tabora. Ich, Rainer, bin selbst blind und Sonderschullehrer.
Träger der Töpferschule und Werkstatt für sehbehinderte und blinde Menschen sind die Missionare des Heiligen Franz von Sales, ein sozial sehr engagierter Orden, der in Tansania mehrheitlich aus indischen Priestern besteht. Unterstützt wird der Aufbau vor allem durch Entwicklungshilfegelder des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie durch die africa action/Deutschland e.V..
Im Moment ist das Gebäude, die Werkstatt samt Internatstrakt, im Entstehen. Die Wände sind bereits hochgezogen, so daß mit der Dachkonstruktion begonnen werden konnte. Ende Juni soll der Bau fertig gestellt werden.

Nach und nach werden insgesamt 20 blinde und sehbehinderte Menschen, vorwiegend Jugendliche, aufgenommen. Diese werden von zunächst vier lokalen Töpfern angeleitet und unterstützt. Zusätzlich suchen wir freiwillige Töpfer oder Töpferinnen aus Deutschland, die die Aufbauphase der Werkstatt unterstützen möchten.

Die Töpferei wird vorwiegend auf die Produktion von Keramikwasserfiltern spezialisiert sein, denn ein Großteil der Bevölkerung in der Region hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Dafür wird eine Schulung der „Potters for peace“ in Anspruch genommen. Diese aus den USA stammende Nicht-Regierungsorganisation leitete bereits in vielen Entwicklungsländern (z.B. Ghana, Nicaragua) einheimische Töpfer in der Produktion ihrer sehr günstig herstellbaren Wasserfilter an und ist somit bestens mit typischen lokalen Gegebenheiten vertraut. Die Filter können das Wasser zu über 99 % von Bakterien, Parasiten und Würmern reinigen. So können viele Magen-Darm-Krankheiten verhindert werden, was die Gesundheitssituation in Tabora deutlich verbessern wird.

Keramikwasserfilter bestehen aus einem großen Plastikeimer (oder auch aus Ton) mit Hahn, in welchen oben der Keramikeinsatz hineingehängt wird sowie einem Deckel. Dieser Einsatz wird aus einem Tongemisch hergestellt, in welches brennbare Substanzen in einer bestimmten Größe gemischt werden. Diese verpuffen beim Brennen. Der Einsatz wird porös und somit wasserdurchlässig. Das Wasser sickert langsam hindurch. Größere Verunreinigungen, aber auch Würmer und Parasiten werden rein mechanisch aufgehalten. Bakterien werden mittels kollodialem Silber, welches einmalig bei Inbetriebnahme des Filters aufgetragen wird, vernichtet. Die Filterqualität wird regelmäßig durch Tests überprüft.
In einer Stunde kann ein Filter 1,5 l Wasser reinigen. Daraus wird ersichtlich, dass eine typische afrikanische Großfamilie bei regelmäßiger Befüllung mit einem Filter ausreichend sauberes Trinkwasser pro Tag gewinnen kann.

Die Schulung zur Herstellung der Wasserfilter durch „Potters for peace“ wird in den Monaten August bis Oktober dieses Jahres stattfinden. In diesem Rahmen wird auch ein Mani-Kiln gebaut werden. Brennöfen sind in Tabora bislang unbekannt, aber unbedingt nötig, da die Filter beim Brennen über dem offenen Feuer, wie bislang dort bei Gebrauchswaren praktiziert, nicht die nötige Bruchfestigkeit erlangen. Außerdem werden Vorbereitungen für die Wasserfilterproduktion getroffen. Das geeignete, individuell auf den örtlichen Ton abgestimmte Tongemisch muß bestimmt und ein Prototyp hergestellt werden, der anschließend in einem staatlichen Labor auf seine Leistungsfähigkeit überprüft wird. Dabei werden die Töpfer der Werkstatt befähigt, selbständig Wasserfilter zu bauen und diese fachkundig zu verbreiten (z.B. Vermitteln der Hygieneregeln an die Nutzer).

Neben der Produktion von Wasserfiltern ist die Herstellung von Fliesen geplant, denn bislang müssen diese stets aus dem Ausland nach Tansania eingeführt werden. Außerdem könnten Gebrauchsgüter mit Hilfe der Plattentechnik oder Schmuck hergestellt werden.

Wir suchen noch dringend (möglichst ab September) engagierte Töpfer und Töpferinnen, die beim Aufbau der Töpferwerkstatt mithelfen möchten!

Abenteuerlust ist erlaubt, sollte aber nicht die einzige Triebfeder zur Mitwirkung im Projekt sein. Wichtig ist uns vor allem der Wille zu helfen, aber auch Offenheit gegenüber sehgeschädigten Menschen und einer anderen Kultur sowie Kreativität. Wir wünschen uns Freiwillige, die Freude daran haben, ihr Wissen weiterzuvermitteln, aber auch das Wissen und Können einheimischer Töpfer zu würdigen. Vorteilhaft wären Erfahrungen in der Fliesenproduktion, in der Herstellung von Gipsformen oder in der Herstellung von Glasuren. Grundkenntnisse im Englischen sind notwendig und die Bereitschaft, sich mit Kisuaheli, der Landessprache, auseinanderzusetzen.
Ein Aufenthalt sollte zwischen 6 und 12 Monaten dauern, um eine wirklich effektive Zusammenarbeit zu gewährleisten. Vor Ort werden Sie von uns, Gabi und Rainer Bacher, betreut.
„Marafiki wa Afrika“ („Freunde für Afrika“), ein kleiner Verein bei Freising hat unser Volunteerprogramm in die Hand genommen. Sie führen die Vorbereitung auf den Auslandseinsatz durch. Außerdem übernimmt der Verein die Auslandskrankenversicherung. Kost und Logis (eigenes Zimmer) sowie die Kosten für die Aufenthaltsgenehmigung und die Kosten für An- und Abreise werden übernommen. Damit bieten wir Ihnen einen intensiven Blick über den eigenen Tellerrand in eine andere Kultur. Sie werden mit Sicherheit interessante Menschen kennen lernen und auch im töpferischen Bereich ihr Wissen erweitern können.
Wer diese Hilfe zur Selbsthilfe unterstützen möchte, bekommt Infos bzw. kann sich ab sofort bewerben unter:

Franz Pointner
Tel. 08122 / 5404030
Franz.pointner@gmx.de


Gabi und Rainer Bacher
evileitner
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Re: Entwicklungshilfeprojekt in Tansania

Beitrag von evileitner »

Hallo zusammen,
habe grade erst ihren tollen Artikel gelesen,
gibt es aktuelle Berichte des Projektes?
Evi Leitner
Töpfermeisterin mit pädagogischer Zusatzausbildung
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Günter
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Re: Entwicklungshilfeprojekt in Tansania

Beitrag von Günter »

Hallo, die Bachers haben vor 2-3 Jahren wieder jemand für die Töpferei gesucht - ich habe aber keinerlei Ahnung, ob das geklappt hat.
Hier ist ihr Artikel von 2019:

Liebe Töpfer und Töpferinnen,
mein Name ist Rainer Bacher und ich bin blind. Ich bin 50 Jahre alt, verheiratet und habe drei Kinder. Wir haben schon mehrmals im "Kalkspatz" über Simbaclay, unser Töpferprojekt in Tansania berichtet, und möchten dies nun wieder tun, da wir nochmals auf der Suche von Töpfervoluntären und -voluntärinnen sind. Da vielleicht nicht jeder und jede von Euch die letzten Artikel mitbekommen haben und sie ja auch schon eine Weile zurückliegen, erzählen wir auch über die Entstehung der Töpferei und die Situation allgemein vor Ort.
Die blinden Menschen in Tansania haben die gleiche Behinderung wie ich, aber lange nicht so viele Chancen im Leben. Viele besuchen nie eine Schule, weil noch immer das Schämen, ein behindertes Kind zu haben, im Land existiert. Und wenn sie dann doch eine Grundschule besuchten konnten, aber den Sprung auf die Sekundarschule nicht schaffen - was dann?!
Meine Frau Gabi hatte nach ihrem Abitur ein Jahr lang in einem Kindergarten in der tansanischen Stadt Morogoro gearbeitet. Daher war sie vertraut mit vielen Gegebenheiten im Land, konnte bereits Suaheli sprechen und hatte viele Kontakte. So entstand in viel Mühe "Simbaclay" ("Löwenton") in Tabora, eine Werkstatt für blinde und sehbehinderte Menschen zur Herstellung von Töpferwaren, vor allem Wasserfiltern.
Tabora liegt im Westen Tansanias, einem fast schon wüstenartigen Landstrich, einer sehr armen Region, bis vor einem Jahr nur über Sandpiste n erreichbar und abgehängt von den Entwicklungen der Küstenstädte sowie der Touristenstädte im Norden des Landes.
Wir blieben eineinhalb Jahre vor Ort und koordinierten den Aufbau des Projektes, dessen Träger die Missionare des Heiligen Franz von Sales sind. Sie unterhalten auch Waisenkinderprojekte, Schulen und Krankenhäuser in Tansania..
In der Tabora-Region ist sauberes Trinkwasser ein großes Problem und so liegt das Hauptaugenmerk der Werkstatt auf der Produktion von Wasserfiltern, die über 99,9% der Bakterien aus dem Wasser herausfiltern und es so zu sicherem Trinkwasser machen. Dafür wird eine Wasserfilterpresse der "Potters for peace" verwendet. Ein weiteres Hauptprodukt sind kleine Öfchen. Auf den Fotos zeigt mir ein Auszubildender, wie gut und selbstständig er schon die Fertigung beherrscht. Da in Tansania traditionell auf drei Steinen gekocht wird, geht viel Wärme zwischen den Steinen in die Umgebung. Durch die Öfchen wird das verhindert und somit kann wertvolles, rares Feuerholz gespart werden.
Nebenprodukte der Töpferei sind Schalen, Blumentöpfe und Steine für den Bau von Häusern. Gebrannt wird in zwei Holzbrandöfen unterschiedlicher Größe.
Im vergangenen Jahr besuchten wir Simbaclay. Neben der Freude, zu sehen, wie dieses Projekt seit über 10 Jahren lebt und blinde Menschen im Töpferhandwerk ausbildet, waren wir traurig, wie schwierig die finanizielle Situation ist. Da die Auszubildenden momentan nur noch von einer Töpferlehrerin, Maria, betreut werden, weil das Geld für mehr Personal nicht reicht, ist es kaum möglich, den Verkauf anzukurbeln, also beispielsweise die Waren auf dem Markt zu verkaufen oder in Schulen oder Krankenhäusern über die Verwendung von Wasserfiltern aufzuklären und somit auch wieder mehr Einnahmen zu bekommen. Diese würden genutzt werden, um mehr Personal einzustellen oder auch mehr Lebensstandard wie zum Beispiel ein abwechslungsreicheres Essen anbieten zu können. Letzteres besteht momentan vor allem aus Maisbrei und Bohnen.
Die Töpferei hat derzeit zu geringe Einnahmen, um die Ausgaben zu decken. Denn die blinden Menschen wohnen vor Ort und benötigen Nahrungsmittel, Seife und Zahnputzutensilien. Sie werden krank und Arztkosten müssen übernommen werden. Damit sie ab und an in ihre Dörfer fahren können, müssen die Reisekosten der meist armen Familien bezahlt werden. Die Moskitonetzte, mittlerweile mehr als 10 Jahre alt, müssen dringend ersetzt werden.
Deshalb wünschen wir uns für Simbaclay freiwillige Töpfer und Töpferinnen! Das Projekt bietet viele Möglichkeiten, sich kreativ je nach Interessenlage einzubringen. Es sind zwei derzeit ungenutzte Töpferscheiben (eine elektrische sowie eine vor Ort gebaute fußbetriebene) vorhanden, auf denen die besten der tansanischen Auszubildenen beim Drehen angeleitet werden könnten. Eine Plattenwalze zur Herstellung von Fliesen und Kacheln ist vorhanden. Dazu werden Glasuren benötigt, die mit vor Ort vorhandenen beziehungsweise organisierbaren Materialien hergestellt werden können. Es wäre schön, wenn sich jemand fände, der gerne daran tüftelt und das Ergebnis mit den Töpfermitarbeitern teilt, um einen nachhaltiges Fortschritt zu erreichen.
Auch im Bereich Marketing sind neue Ideen und frischer Wind dringend gesucht. Es könnte beispielsweise ein Hotel gesucht werden, dem Geschirr mit seinem Hotelzeichen hergestellt wird. Wir haben eine andere Wasserfilterwerkstatt in Arusha, im Norden Tansanias, besucht. Die Menschen dort sind sehr hilfsbereit und auskunftsfreudig und eine Zusammenarbeit, da der Verkauf dort sehr gut läuft, wäre eine schöne Bereicherung für Simbaclay.
Voluntäre werden im Haus der indischen Priester, die das Projekt finanziell betreuen, untergebracht. Dort gibt es europäisches bis indisches Essen, d.h. eine gesunde, ausgewogene Ernährung ist wie das Zimmer mit Bad kostenlos. Darüber hinaus ist es dem Projekt leider nicht möglich, ein Taschengeld oder den Flug zu übernehmen. Aber das, was der Voluntär dafür erhält, nämlich einen Einblick in eine ganz andere Welt, die Lebensfreude der afrikanischen Menschen und die zwischenmenschlichen Erlebnisse werden ihm /ihr mit Sicherheit für immer ein Schatz sein.
Damit die Arbeit nachhaltige Auswirkungen hat, würden wir uns freuen, wenn Ihr mindestens 3 Monate im Projekt arbeitet. Sehr gerne aber auch viel länger, zum Beispiel ein Jahr lang.
Wir geben gerne Auskunft: Gabi und Rainer Bacher, r.g.bacher@gmx.de, 08142-6518620
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