Vergleichszahlen

Rund um die Selbstständigkeit und das Angestelltenverhältnis

Rechtliche Beratung darf nicht erfolgen!
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hille
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Registriert: Donnerstag 24. August 2006, 10:29

Beitrag von hille »

Wenn ich im Jahr 1800 Arbeitsstunden ansetze, dann muß ich, um auf 85000€ Umsatz zu kommen, zu einem Stundensatz von 47,22€ pausenlos produzieren, verkaufen muß sich die Keramik dann aber von alleine und ich muß auch wirklich alles loswerden. Dazu zeigt sie dummerweise wenig Neigung. :( Und der Stundenlohn von 47,22 entspricht zwar locker dem, was andere Handwerker verlangen und bekommen, aber komischerweise kommt man als Keramiker dann auf Preise, die die meisten Menschen für viel zu teuer halten. Ich kann es also drehen und wenden, wie ich will, ich kann diese Zahlen einfach unmöglich erreichen.
Vielleicht zum Trost, das durchschnittliche Einkommen, das die Künstlersozialkasse für ihre Mitglieder errechnet, sind, glaube ich, etwa 800€ im Monat. Das ist so eher meine Kragenweite, wenn alles gutgeht. Wenn ich dann noch Krankenkasse und Miete abziehe, komme ich auf einen netten Hartz4-Satz, kann dafür aber den Beruf ausüben, den ich liebe und muß nicht betteln gehen. Mehr Luxus ist wohl nicht drin... :wink:
Hille
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Pit
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Registriert: Mittwoch 16. März 2005, 22:56
Wohnort: im wilden Osten

Beitrag von Pit »

ja zieh mich nur runter nach dem fest harry....
da gehe ich mit noch mehr elan ins jahr 08.
doch ist uns das alles bekannt. die kunden sollten es so wissen. dann blieben uns einige sau doofe bemerkungen erspart. und die kunden, welche sowas wissen - geben dann leider ehrlich (wenigstens) zu, das sie keine kohle haben.

manchmal frage ich mich, wann das finanzamt kommt? weil sie mir nicht abnehmen, das ich von so wenig lebe. :wink:
ich habe mein system optimiert. keine teuren märkte. schlafe im bus. fahre keinen km zu viel. spare jedes gramm glasur. die öfen sind 99% ausgenutzt... so geht das halbwegs.
aber die preise steigen. strom, benzin, standgelder. nun sogar rohstoffe. keramik-kraft hat beim ersten katalog durchsehen die engobe-preise verdoppelt... verdoppeln wir die tassenpreise?

ich kalkuliere mit schlappen 25 euro/h. mein bruder (seineszeichens programmierer - selbstständig) nimmt das in 10 minuten. und recht hat er, wenn er sagt: in deutschland muss man pro tag 350 euro umsatz haben, sonst muss man sich nicht selbstständig machen.
mit keramik... nicht zu erreichen. glaube nichtmal mit nem richtigen renner. und den hat man in unserer branche ja auch nur kurze zeit alleine.
ich selber habe seit ner zeit umgestellt. habe auch handelsware im angebot. das ist nicht das was ich wollte. aber von irgendwas möchte man ja leben. und nen neuen transporter hätt ich auch mal gern (klar gebraucht)...

bleibt uns nur die positiven seiten unseres jobs gegenzurechnen. und da gibts einige.... wäre mal was für nen neuen thread im forum.
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mishligs
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Registriert: Dienstag 20. November 2007, 19:55

Beitrag von mishligs »

Äußerst interessant diese Rechenspielchen - möglicherweise ist da an Harry ein rechtschaffener Betriebswirt verloren gegangen .
Mal ganz ehrlich , wenn ich mich für den Beruf Keramiker entscheide dann wohl kaum wegen dem zu erwartenden Spitzen-Einkommen .
Ich gehe nach dem Weihnachtsmarkt erst einmal einer 2 monatigen sozialen Lohnarbeit nach - da gibt es zwar nur 6,65€ die Stunde , das ist aber wenigstens bis zu 1848€/jahr steuerfrei (Aufwandsentschädigung ), und für mich eine ordentliche Finanzspritze in der "sauren Gurkenzeit". Es ermöglicht mir außerdem die Vorteile meiner Selbstständigkeit in den nächsten Monaten wieder neu schätzen zu lernen .
Das Leben ist kein Zuckerschlecken - aber hier brauche ich das wohl keinem zu erzählen .
Liebe Grüße und guten Rutsch !
mishligs
bbina
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Beitrag von bbina »

@ harry
ich glaube allerdings, dass du nicht nur gegen Dumpingpreise anderer Keramiker ankämpfen musst, sondern hauptsächlich gegen den Billigkram von IKEA und sonstigen Märkten. Wer kauft schon eine handmade Tasse vom Töpper für 10,- wenn er eine der 1000 Gegossenen perfekt aussehenden aus dem IKEA Regal für 2,99 haben kann? Qualität interessiert doch kaum noch jemanden. :( Andererseits können sich viele auch keine Qualität leisten. Das muss auch mal gesagt sein. Ihr habt sicher recht, wenn ihr euch über die schlechte Bezahlung der Keramiker beschwert, aber es gibt ne Menge Leute, die ebenfalls SEHR wenig haben. Und da wird halt überlegt, wofür die 10,- ausgegeben werden... Bitter, aber so ist es.
Die mit wirklich viel Geld kaufen ihr Geschirr bei Rosenthal oder Hutschenreuther ... naja, einige hoffentlich auch bei euch... :D

bbina
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mishligs
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Beitrag von mishligs »

Lieber Harry !
Ich finde es absolut richtig von Dir Deine Kalkulation auf eine gesunde wirtschaftliche Basis zu stellen .
Auch ich war gezwungen meine Preise seit letztem Jahr um 12% anzuheben .
Letztlich stellen wir ja so oder so Luxusartikel für einen elitären Kundenkreis her , denn ein chinesischer Eßteller kostet den preisbewußten Endverbraucher beim Discounter meist weniger , als mich selbst im EK die Rohstoffe + Brennkosten für den selbigen aus eigener Produktion (bereits ohne jegliche Einberechnung der Arbeitszeit für Herstellung und Verkauf) .
Somit gibt es als einzige ökonomisch effiziente Möglichkeit die Orientierung nach oben .
Sprich - wir sollten unsere Sachen nicht billiger verhökern als renomierte Porzelan-Manufacturen es bei ähnlich geringen Stückzahlen mit ihren Erzeugnissen machen würden .
Dem Kunden dies klar zu machen ,ist wohl eine der schwierigsten Aufgaben des selbstständigen Töpfers , in der heutigen Zeit .
Das von Dir angeprangerte Verramschen der eigenen Arbeitsleistung durch einige unsere Kollegen wirkt dabei sicherlich kontra produktiv, ist aber im allgemeinen aus der Not heraus geboren überhaupt Absatz zu finden .
Einen Stundenlohn anzusetzen , um daran die Verkaufspreise der Artikel festzumachen , halte ich aber für schwierig - was unter dem Strich rauskommt ( Jahreseinkommen )ist entscheidend und die dafür aufgewendete Zeit letztlich völlig unerheblich .
mishligs
bbina
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Registriert: Samstag 7. Juli 2007, 18:36
Wohnort: Südhessen

Beitrag von bbina »

ich fände es toll, wenn du recht hättest, harry! Aber in einer Gesellschaft, in der Geiz geil ist (und eure Zahlen sprechen dafür) glaube ich nicht, dass du von der breiten Masse sprechen kannst - leider!

bbina
hille
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Registriert: Donnerstag 24. August 2006, 10:29

Beitrag von hille »

Ich finde Harrys Grundargument absolut richtig. Egal, wie man es dreht und wendet, mit der Ikea Tasse KANN man eh' nicht konkurrieren, also macht es auch keinen Sinn, seine Tassen für z.B. 5€ zu verkaufen, dann ist man ja immer noch teuerer.
Und zuallererst müssen doch wir selbst unsere Arbeit angemessen schätzen.
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Pit
Beiträge: 386
Registriert: Mittwoch 16. März 2005, 22:56
Wohnort: im wilden Osten

Beitrag von Pit »

zufällig habe ich nen kollegen (schmuck) auf einem markt kennen gelernt. ar hat beziehungen nach asien und kenn somit mitarbeiter einer bestimmten keramikfirma.
die stellen geschirr für ikea her. die herstellung eines tellers kostet dort keinen euro-cent. also im null komma bereich. das 18 teilige service kostet 29 euro... rechnet euch den gewinn aus. und was unsereins dagegen tun kann. 6 tassen und 12 teller für 29 euro. und was die da noch für gewinn haben...
wir hand-arbeiter können nur uns nach oben an individualität und qualität abheben.
es wird extremst wichtig sein, das wir auf standgestaltung - produktpräsentation - und beratung - größten wert legen. es gibt nach wie vor wirklich leute die sich individuell abheben möchten. da haben wir (ihr) ne chance.
ich bin eher auf nem anderen zug aufgesprungen. witzige artikel fürs gemeine volk. auf stadtfesten. denn ist ja klar. wenn ich auf nem töpfermarkt top verkaufen würde... haben 3 monate später 12 andere töpper die selbe ware... :twisted:
aber jeder muss SEINE lücke finden...
marei
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Registriert: Mittwoch 28. September 2005, 12:17

unser totesstoss

Beitrag von marei »

moin kollegen,

melde mich von stressiger aber netten und recht erfolgreichen (backe mit kleinen brötchen) marktzeit zurück! das angeschnittene thema von euch beschäftigt mich schon eine weile, ich glaube auch nicht das die ikeatasse in direktem vergleich zu unseren gezogen wird. die handgerehte hat halt ihren ganz eigenen scharm, was industriegeschier eben nicht hinbekommt. ob die leute „mit kohle“ jetzt rosenthal kaufen weiß ich nicht. das ist doch zu sehr „omas geschier“ . einige meiner kunden sehen sehr nach bildungsbürgern aus, die das schlichte an meiner keramik mögen, es sind halt zu wenige um davon zu leben. da kann man nur auf die guten alten zeiten warten, doch wenn die wiederkommen habe ich sorge das dies unsere todesschuss sein wird, denn wenn man heute durch die baumärkte schlendert kann man die wunderbar handgedrehten blumenkübel, für nen appel und nen ei, aus fernost bestaunen. und der masse wird es egal sein ob sie nun die handgedrehte tasse aus timbucktu oder vom töpper von neben an, der preis wir wohl dann entscheiden... mal ich jetzt zu schwarz? zu unserm „todfeid“ ikea wollte ich noch nachhaken das ich leider die wunderbaren mundgeblasenen weingläser von ikea habe, eigentlich hätte ich diese schon aus meiner berufsehre heraus bei einem glasbläser kaufen müssen, aber dafür fehlte mir leider das nötige kleingeld wie bei vielen anderen dingen auch. ich hoffe jetzt nicht ein zu großes fass aufgemacht zu haben und beim nächsten guten kunsthandwerker markt hoffe ich mir eine weinkeraffe beim glasbläser leisten zu können (wenn einer da ist...)

alles gute marei
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mishligs
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Registriert: Dienstag 20. November 2007, 19:55

Beitrag von mishligs »

Marei hat schon in gewissem Sinne Recht .
Wenn handgemachtes Geschirr ein echter Trendartikel wäre , würde uns "der Deutschen liebstes Freizeitcenter" sprich der Baumarkt in der Nachbarschaft mit Sicherheit mit jeder Menge "preiswerter Qualität" überhäufen .
Da sollten wir uns doch eigentlich darüber freuen ,dass wir solch schlecht verkäufliche Ladenhüter herstellen .
Was habt ihr übrigens alle ständig gegen diesen scandinavischen Lifestyle Supermarkt ?
Ich persönlich empfehle meine Kunden jedenfalls immer die Teelichter zu meinen Apfelbrätern und Stövchen bei selbigem einzukaufen , die brennen wenigstens mit einer ordentlich großen Flamme .
Dass die geizigen Schweden , genau wie wir selbst auch ,darauf angewiesen sind Keramik zu verkaufen macht sie doch eigentlich ganz sympathisch ( oder glaubt ihr die machen das vielleicht doch nur wegen der Abschreibemöglichkeit bei Bruch ? )
Genug der trockenen Philosophie , lieber noch etwas zur eigentlichen Sache ...

ein gutes und erfolgreiches Neues Jahr wünsche ich euch allen , zwar etwas verspätet aber durchaus von Herzen !
mishligs
hille
Beiträge: 1192
Registriert: Donnerstag 24. August 2006, 10:29

Beitrag von hille »

Wir drehen den Spieß jetzt einfach um! Schließlich gibt es seit kurzem schon die Möglichkeit, auf einem "Echt Deutschen Weihnachtsmarkt" in China zu verkaufen. Vietnam und so kommt auch noch. :lol: :lol: :lol:
Und mal ganz im Ernst, wie's kommt, wissen wir doch alle nicht.
Also wünsche auch ich jede Menge positive Überraschungen im Jahr 2008!
Hille (die auch schon mal Keramik an Chinesen verkauft hat, man stelle sich vor... :lol: Und jetzt sagt nicht, die haben das nur zum Kopieren gekauft! :wink: :lol: )
hille
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Registriert: Donnerstag 24. August 2006, 10:29

Beitrag von hille »

Also ,wenn ich mal so gaaaanz ehrlich bin, trauere ich Duftlämpchen und Teelichtern usw. nicht wirklich nach. Klar, wenn die Leute das haben wollen, dann bekommen sie es , auch bei mir, und ich nehme das Geld und freue mich. Aber ich verkaufe wesentlich lieber Geschirr oder eines von meinen Einzelstücken. Das ist für mich die Seele der Keramik und wenn die einen Aufschwung erfahren würde, dann können Ikea oder der Baumarkt meinetwegen verkaufen was und wieviel sie auch immer wollen.
Hille
... und Harry, Chinesen sind manchmal größer, als man so denkt :lol:
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