graphit

Alte Schätze, historische Techniken und Fragen nach dem "Wie war das damals?"
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ferlosio
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graphit

Beitrag von ferlosio »

liebe kalkspatzen,
ich suche verzweifelt nach literatur und generellen informationen zur verwendung von graphit in der gebrauchskeramik.
ich finde hier am hof im waldviertel viele bruchstücke, die zum einen graphit in der masse oder der - so vermute ich zumindest - engobe zugesetzt haben.
graphit_engobe.jpg
graphit_in_masse.jpg
allesamt bei niedriger temperatur gebrannt und in erster linie um topfen oder most darin aufzubewahren (oder transportieren?)
mehr an information war bislang nicht herauszufinden.
die verwendung ist hier naheliegend, da es auch einige graphit-abbaustätten hier in der gegend gab.
aber was genau war der zweck der beimengung?
erhöhung der gefäßdichte bei niedringbrand?
säurebeständigkeit? -vermutlich beides... aber was ist physikalisch der unterschied zwischen beimengung in der masse oder verwendung als engobe?
manche der bruchstücke wirken schlampig verarbeitet - ich schließe auf händische massenproduktion rück.
der most galt hier als bezahlungsmittel, was zusätzlich auf möglichst schnelle und billige verarbeitung hiweisen könnte...
ich habe auch von graphit im zusammenhang mit kachelofenbau gehört. aber wo noch findet man solche scherben?
und:
mich interessiert das thema sowohl technisch als auch kulturhistorisch.

vielen dank für jeden hinweis,
herzlich
mona
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madame Alexis
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Re: graphit

Beitrag von madame Alexis »

Hallo,

Also für mich sieht das nach ganz "normalem" , im Holzofen reduziert gebranntem Zeug aus. Ich habe einige Jahre in der Archäologie gearbeitet und solche Scherben tauchen in fast jeder Epoche ab ca. 50 v.Chr. auf. Die Schwarzfärbung beruht immer auf dem Brand unter Sauerstoff"verbrauch", was den Scherben härter macht. Kommt qualitativ teilweise schon fast an Steinzeug heran. Von dem Einsatz von Graphit habe ich noch nie gehört - kann aber auch eine regionale Besonderheit sein. Ich bezweifle aber, das Graphit aufgrund seiner Eigenschaften (hydrophob) überhaupt verwendbar wäre. Die Spuren auf dem Papier können auch einfach Scherbenabrieb sein.
Grüße,
Alex
Ono
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Re: graphit

Beitrag von Ono »

Hallo Alex,
was meinst du den mit "Sauerstoffverbrauch"?
Ist das eine starke Reduktion, die den ganzen Brand durch besteht?
Also Kohlenstoff, der vom Scherben aufgenommen wird?
Sehen hübsch aus die schwarzen Scherben.
Maria Ortiz Gil
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Re: graphit

Beitrag von Maria Ortiz Gil »

Hallo Ferlosio,

wenn man Keramik dekoriert, kann man unbesorgt mit so genanntem Bleistift, der eigentlich aus Graphit besteht, drauf herum skizzieren so viel man möchte, denn beim Brand verschwinden die Striche ohne einen Rest zu hinteralssen. Es würde mich also sehr wundern, dass man Graphit für eine Oberflächengestaltung, geschweige denn Härtung nutzen könnte.
Oder, weiß da jemand mehr?

Schönen Gruß
Maria
ferlosio
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Registriert: Sonntag 24. Mai 2020, 11:28

Re: graphit

Beitrag von ferlosio »

ihr lieben,
vielen dank für eure antworten!
liebe maria, ja, allerdings ist das temperaturabhängig.
bei niedrigtemperaturbrand bleibt der graphit erhalten, was auch manche für ihre keramiken nutzen.
das, was mich interessiert ist, warum der graphit mal der masse beigemengt und mal zur oberflächengestaltung genutzt wurde.
das beimengen hatte wohl den sinn, die scherben feuerfest zu machen - so, wie die schmelztiegel aus graphitton bestehen.
aber dass die oberfläche damit gestaltet wird, und das teils nur außen und nicht im inneren des gefäßes...?
...wasserabweisend bei niedrigtemperaturbrand könnte sinn machen...
und warum weiß man darüber so wenig? in der fachliteratur wird es kaum erwähnt... ist es obsolet geworden?

und: suchmaschinen spucken andere ergebnisse aus, je öfter man nach bestimmten inhalten sucht.... großartig!
heute hab ich neues entdeckt: https://www.antike-tischkultur.de/kelti ... spaet.html
ich werde dran bleiben, bin aber weiterhin für jeden hinweis dankbar!
lg!
mona
madame Alexis
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Re: graphit

Beitrag von madame Alexis »

Ono,
Ja, genau, ich meine das reduzierende Brennen, da wird ja Eisen reduziert und wird schwarz. Typisch dafür ist auch die gräuliche Farbe im Bruch. Im Rauchbrand dagegen wird ja eher Kohlenstoff eingelagert, wird zwar auch schwarz, aber nicht so hart.
Grüße,
Alex
Ono
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Re: graphit

Beitrag von Ono »

Danke Alex,
das muss ja gleich fast von Anfang an reduziert sein, so wie der Scherben durchgefärbt ist.
Vielleicht versuche ich es irgendwann doch mal wieder mit Gas.
Die La Tene Keramik sieht auch hübsch aus.
Vielleicht lohnt das, so alte Technken mal wieder auszubuddeln.
Was vor 2000 Jahren funktioniert hat, sollte ja heute auch noch gehen.
Oder ist es nur das Alter und die entstandene Patina?
Ob meine Sachen in 2000 Jahren auch so gut aussehen??? :D
Maria Ortiz Gil
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Re: graphit

Beitrag von Maria Ortiz Gil »

Jetzt habe ich auch nach graphitierten Engoben gesucht und nicht viel gefunden, ausser dass man diese auf Gefäßen in Keltengräbern gefunden hat, angeblich um einen metallischen Effekt zu bewirken. Was die Archäologen sich halt immer so ausdenken, warum was wie gewesen sein mag...
Aus den Aussagen ist aber nicht klar geworden, ob diese Engoben überhaupt mitgebrannt wurden, oder nachträglich aufgetragen und poliert wurden.
Bei letzterem könnte man sich den metallischen Effekt vorstellen, jeder hat schon mal beim Zeichnen mit weichem Bleistift später eine metallische Außenseite des kleinen Fingers gehabt.
Dass Graphit nach dem Brennen die gleiche metallische Erscheinung haben soll, mutet seltsam an und deckt sich überhaupt gar nicht mit meiner Bleistift-Erfahrung auf Keramik, da verschwindet er nämlich schon beim Schrühen, was ja eine recht niedrige Temperatur ist.

Andererseits ist Grafit offensichtlich ein Werkstoff der für Schmelztiegel und andere Hochtemperatur-Anwendungen wervendet wird. Wie passt das zusammen? Weiß da jemand was drüber. Ich werde jedenfalls beim nächsten Brand ein paar Bleistiftminen mit rein legen und schauen was passiert.

Schönen Gruß
Maria
madame Alexis
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Re: graphit

Beitrag von madame Alexis »

Hallo,
Naja, entscheidend ist für diese Art der Keramikherstellung wohl die Brandführung bzw. die Branddauer und Größe / Bauart des Ofens.. Aus der Eisenzeit / römische Kaiserzeit sind nur sehr wenige Öfen ausgegraben worden. Experimentelle Archäologen konnten allerdings schon einiges rekonstruieren. Interessant finde ich, das in der Bronze und Eisenzeit die Keramiker versucht haben, Metall zu kopieren, da echtes Metall eine begehrte Importware war. Da wurde viel poliert und auch schon mit Engoben experimentiert. In dem Zusammenhang kann ich mir auch den Einsatz von Graphit vorstellen. Als Mineral glänzt er ja auch schön metallisch. Allerdings ist diese Art der Keramik recht aufwendig zu machen und das widerspricht eigentlich dem Einsatz als Gebrauchskeramik. Mich würde mal interessieren, wo genau bei uns im Waldviertel ist und in welcher Zeit wir uns da bewegen ?
Grüße,
Alex
Ono
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Re: graphit

Beitrag von Ono »

Graphit gibt es bei BSZ zur "Verwendung als Reduktionsmittel in Glasuren" zu kaufen, also ähnlich wie Siliziumcarbid, vermute ich.
Wäre vielleicht mal interessant zu probieren, wie es sich verhält, wenn man es wie eine Glasur aufträgt??
Da es reiner Kohlenstoff ist, wird es natürlich den Brand nicht überleben, aber vielleicht reagiert es irgendwie mit dem Scherben, wenn es mehr als ein Bleistiftstrich ist?
Bleistiftminen werden laut Wikipedia aus einer Ton-Graphit-Mischung bei ca. 900°C gebrannt. Das wäre ja schon nah dran an einer Graphitengobe, nur das man mit der fertig gebrannten Engobe ja nicht malen will. :lol: Die Frage wäre also, ab welcher Temperatur sich da etwas wesentlich ändert und mindestens abriebfest wird oder was sonst passiert, wenn man die Temperatur erhöht?
Ono
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Re: graphit

Beitrag von Ono »

Da sich Graphit bei 600° entzündet, wird es wohl, wenn man es nur oberflächlich aufträgt, einfach verbrennen, bevor es mit dem Scherben reagieren kann, so wie bei Marias Bleistiftstrich. Es müsste also auf jeden Fall mit etwas anderem gemischt aufgetragen werden, denke ich.
Vielleicht geht auch Feldspat statt Ton oder eine einfache Mischung mit etwas Flussmittel?
Hat hier schon mal jemand mit Graphit in Glasuren experimentiert?
Oben unter dem Foto steht ja auch: "Hinterlässt bleistiftartigen Strich"
Ist wahrscheinlich nicht weit weg von der Rezeptur für einen 9H-Bleistift.
Wäre aber dann wohl für moderne Keramik nicht funktional genug.
Ono
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Re: graphit

Beitrag von Ono »

Und nochmal ich:

Graphitkeramik , Bezeichnung für Keramiken, bei deren Fertigung dem Töpferton Graphit beigemengt wurde; das Verfahren war schon in der * Latène-Kultur üblich. Von der Graphitkeramik unterscheidet sich die so genannte "graphitierte Keramik", mit schwarzer, metallisch glänzender Oberfläche, die durch einen graphithaltigen Anstrich hergestellt wurde und besonders in der jüngeren * Bronzezeit und der frühen * Eisenzeit gebräuchlich war.

http://www.beyars.com/kunstlexikon/lexikon_3657.html

Das widerspricht sich jetzt mit dem Link oben, wo die La Tene Keramik als graphitierte Keramik statt als Graphitkeramik bezeichnet wird.

Also ist die "graphitierte Keramik" nur angepinselt und gar nicht mit Graphit gebrannt und die Fotos von den Scherben oben wären dann Graphitkeramik mit Graphit im Ton, also eigentlich eine harte Bleistiftmine.
Vielleicht könnte man so eine Bleistiftmine glasieren, wenn sie nicht abfärben soll?
Aber dann würde man wohl heutzutage einfach schwarzen Ton nehmen.
Ono
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Re: graphit

Beitrag von Ono »

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