Glasur auf ungebrannten Ton

Diese Rubrik ist für alle die noch ganz neu zum Thema Ton gekommen sind und Hilfe bei den absoluten Basisthemen benötigen.
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Leonie
Beiträge: 6
Registriert: Dienstag 22. Januar 2013, 15:58

Glasur auf ungebrannten Ton

Beitrag von Leonie »

Was würde beim Brennen passieren? :?:
tuxpert
Beiträge: 131
Registriert: Sonntag 16. Dezember 2012, 20:42
Wohnort: Mannheim

Re: Glasur auf ungebrannten Ton

Beitrag von tuxpert »

Hallo Leonie,
meist passiert nichts - dh. der Glasurbrand verläuft ganz normal. Ich selbst mache das gelegentlich.
Das Verfahren bringt aber auch eine Reihe Nachteile:

1) Beim Glasurauftrag löst sich immer ein bisschen Ton in der Glasur (auf die Dauer wird die Glasur mit Ton "verunreinigt")
2) Beim Brennen muss das gebundene Restwasser & Kristallwasser durch die Glasur entweichen, dadurch kann diese abblättern oder wenn sie bereits flüssig ist (bei niedrigschmelzenden Glasuren) können sich Blasen bilden - hatte ich aber noch nie.
3) Die Stücke sind beim Glasieren noch sehr zerbrechlich und empfindlich
4) Die Stücke sollten vor dem Brand nochmal gut durchtrocknen, da sie beim Glasieren ja wieder Wasser aufnehmen
5) Wenn das Stück wegen eines Verarbeitungsfehlers im Brand springt hast du eine riesensauerei weil die glasierten Tonscherben dann überall im Ofen kleben
6) Der Glasurauftrag ist erfahrungsgemäß schlechter, da der geschrühte Ton besser das Wasser aufsaugt.

Trotzdem gibt es einige Situationen wo man das mal machen kann (zB. mache ich das manchmal bei sehr großen Stücken die ich alleine Brennen muss, damit ich den Ofen nur einmal brennen muss).
Ich empfehle dir die Brennkurve ein bisschen anzupassen, zB. 3h bis 200°C, 30min Rast, 2h bis 600°C, 30min Rast, dann mit 100% bis zur Zieltemperatur, also eine art kombinierte Schrüh/Glattbrandkurve.

lg,
tuXpert
Leonie
Beiträge: 6
Registriert: Dienstag 22. Januar 2013, 15:58

Re: Glasur auf ungebrannten Ton

Beitrag von Leonie »

Herzlichen Dank für deine ausführliche Antwort. Jetzt bin ich im Bilde.
Beatbach
Beiträge: 74
Registriert: Dienstag 17. April 2007, 11:17

Re: Glasur auf ungebrannten Ton

Beitrag von Beatbach »

Funktioniert besonders gut bei Lehmglasuren und Sinterengoben, weil sie sich vom Auftrag her ähnlich wie Engoben verhalten. Ist eine alte Technik - Einbrandverfahren.

In zwei Töpfereien wo ich gearbeitet habe, wurde das so gemacht - und in der dritten, wo ich zuerst war, durfte ich als Praktikant noch nichts glasieren. Also habe ich praktisch immer Rohware glasiert... jetzt studiere ich und finde es immer befremdlich, wie stark der geschrühte Scherben das Wasser ansaugt, und wie schlecht man die Glasur wieder vom Boden abwischen kann - das ist also mal das ganze aus der anderen Perspektive, für mich war es also lange Zeit ganz normal.

Das mit den Fehlerquellen stimmt allerdings - dieses Verfahren macht also besonders Sinn, wenn man wirklich eher produziert als experimentiert. Also wenn man immer das gleiche macht, dann sind da einfach weniger Fehlerquellen.

ergänze noch: Abrollen der Glasur kann auch noch vorkommen (das war allerdings transparente, die das gern gemacht hat) - weil der ungeschrühte Schwerben einfach von Natur aus staubiger ist, auch wenn man ihn abwischt.
SiO2
Beiträge: 40
Registriert: Sonntag 5. August 2012, 00:53

Re: Glasur auf ungebrannten Ton

Beitrag von SiO2 »

es giebt keine gründe für diese haltezeiten! ausser bei großen baukeramiken mit hohen wand stärken.
aber der Strom Anbieter freut sich
Keramik ist mein täglich Brot.
tuxpert
Beiträge: 131
Registriert: Sonntag 16. Dezember 2012, 20:42
Wohnort: Mannheim

Re: Glasur auf ungebrannten Ton

Beitrag von tuxpert »

Zu den besagten Haltezeiten:

Grundsätzlich sind diese Haltezeiten nicht pauschal notwendig, aber bei dickwandigen und va. bei nicht vorgeschrühten Stücken aus folgenden Gründen zu empfehlen.
Zunächst muss man wissen, dass Ton grob gesagt eine Mischung aus Tonerde (Al2O3), Kieselsäure (SiO2) und Wasser H2O ist. Klar, bei der ersten Haltezeit will man "nur" sicherstellen, dass die Temperatur im Ofen überall wirklich die 200°C erreicht und das im Ton vorhandene Wasser verdunstet ist bevor es weiter geht (eigentlich nur notwendig bei dickeren Wandungen oder sehr dicht bepacktem Ofen).
Im Temperaturbereich von 550-600°C passieren im Ton struktuelle Umwandlungen die nochmals zur Abscheidung von H2O führen (sog. Kristallwassser). Es handelt sich um eine Umwandlung von hexagonal kristallinem Kaolinit zu amorphem Metakaolin. Diese Dehydroxylierung läuft bis ca. 900°C ab, allerdings zu 95% im Bereich 550-600°C - also nur logisch bei ca. 600°C nochmals eine zweite Rast einzulegen. Das gilt aber natürlich nur wenn das Stück nicht vorgeschrüht ist und damit das Kristallwasser bereits ausgetrieben ist.
Man muss sich vorstellen, dass bei einer solchen "Rast" ja einfach nur die Brennkurve einen Buckel bekommt um dem Kristallwasser genügend Zeit zu lassen ohne allzuhohen Druck aus dem Ton austreten zu können. Wenn man grade weiterbrennt passiert der Prozess der Kristallwasserabscheidung in einem dickwandigen Stück in der Mitte der Wandung zu einem Zeitpunkt an dem es weiter außen in der Wand vllt. schon 800°C hat, dementsprechend ist das Risiko einer Wandabsprengung höher.

Über Notwendigkeit und Sinnlosigkeit dieser zwei Rasten kann man sich warscheinlich gut streiten ohne zu einer definitiven Lösung zu kommen. Ich für meinen Teil halte die Rasten beim Schrühbrand ein, weil mein Ofen gut isoliert ist und es kaum Energie kostet die bereits erreichte Temperatur für 30 minuten zu halten. Zugegebenermaßen habe ich die Rasten aber auch schon übersprungen (bei dünnwandigen Stücken) und hatte dabei keinerlei Probleme.
Beim alleinigen Glattbrand halte ich die zweite Rast nie ein - gibt ja auch keinen Grund dazu.

Lg,
tuXpert
Beatbach
Beiträge: 74
Registriert: Dienstag 17. April 2007, 11:17

Re: Glasur auf ungebrannten Ton

Beitrag von Beatbach »

Warum haben eigentlich die meisten STeuerungen nur die Möglichkeit EINER Haltezeit zwischendurch?
Ich brenne nämlich seeehr dicke Sachen - und so bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als laaangsam bis 600 hochzufahren, was den Brand ganz schön in die Länge zieht.
Beim Schrühbrand, oder falls ich doch mal Einbrandverfahren probiere.
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