Links rum zentrieren, rechts rum drehen??

Wieso, weshalb, warum ...
Alles was nirgend wo anders rein passt soll hier rein!
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BrennNessel
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Links rum zentrieren, rechts rum drehen??

Beitrag von BrennNessel »

Hallo! Zwar bin ich Musikerin, musste aber aufgrund eines Problems in der rechten Hand/Arm mein Leben umkrempeln. Dabei habe ich vor ein paar Monaten das Töpfern für mich entdeckt. Über das Modellieren haben „Ton“ und ich uns kennen gelernt, nun bin ich voller Begeisterung auch an einer Airgoo Tisch-Drehscheibe zugange (ich weiß, ich weiß… 😅; aber für mich reicht es. Ich kann kraftbedingt eh nur Kleinigkeiten drehen und mache es der Freude wegen. Wenn ab und zu dabei eine brauchbare Espressotasse rausspringt, bin ich zufrieden!).

Nun meine Frage: Ich habe bemerkt, dass ich mir beim Zentrieren und Öffnen entschieden leichter tue, wenn sich die Scheibe im Uhrzeigersinn dreht. Dann kann ich die rechte Hand „nur“ als Gegenpol nutzen und mit links diagonal den Ton hineinpressen; andersherum habe ich arg Probleme mit meinem Defizit rechts.
Drehen kann ich allerdings besser anti-clockwise, da ich nunmal Rechtshänderin bin.

Kann ich clockwise zentrieren und anti-clockwise hochziehen? Oder springt mir dann beim trocknen/brennen alles auseinander (was ich auch der Töpferei nicht antun will, wo ich brennen darf)?
Oder besser jetzt gleich in den sauren Apfel beißen und ganz umlernen auf links?
Danke!
hille
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Re: Links rum zentrieren, rechts rum drehen??

Beitrag von hille »

Interessante Frage! Ich kann mir kaum vorstellen, dass hier jemand Erfahrung damit hat. Da hilft wohl nur ausprobieren. Wenn du mal ein, zwei kleine Stücke machst, auch im schlimmsten Fall kann ich mir nicht vorstellen, dass das beim Trocknen oder Brennen irgendwelche starken Kräfte entwickelt. Im schlechtesten Fall gibt es halt Risse, aber größere Zerstörungen halte ich für sehr, sehr unwahrscheinlich.
P.S.: Aber wenn du auf Dauer sowieso auf Linkshänderei umstellen musst, weil deine Rechte nicht mehr mitmacht, dann wäre es natürlich sinnvoll, es gleich andersherum zu lernen.
Maria Ortiz Gil
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Registriert: Dienstag 1. März 2016, 13:14

Re: Links rum zentrieren, rechts rum drehen??

Beitrag von Maria Ortiz Gil »

Hallo BrennNessel,

ich schließe mich der Meinung von Ursula an. Da du auf dieser Scheibe eh nur kleine Sachen drehen können wirst, dürfte das kein Problem sein. Zwar legen sich die mikroskopischen Tonteilchen in der Masse in Drehrichtung aus, und "rutschen" demnach mit der Schwindung des Trocknens und Brennens ein klein Wenig in die Ursprüngliche Lage zurück, aber die an der Stelle des Richtungswechsels theoretisch ringsherum entstehenden Spannungen dürften bei kleinen Gefäßen kaum etwas ausmachen.
Umständlich ist das natürlich schon, da du je nach dem die eine oder die andere Hand im Gefäß hast und die andere draußen, denn auf keinen Fall solltest du die Hände so halten, dass der Ton auf deine Fingerspitzen zuläuft, sondern immer durch sie hindurch, von dir weg. Sonst wird der Ring/Rand immer wieder an deinen Fingerspitzen hängen bleiben wenn du Druck ausübst.
Auch wirst du vielleicht nicht ewig bei Kleinzeug bleiben wollen, sondern dich naturgemäß weiterentwickeln. Vielleicht kannst du dich ja doch an nur eine Richtung gewöhnen. Am Anfang ist alles so dermaßen Fremd und ungewohnt, dass man dazu neigt, irgendwelche "Umwege" oder "Abkürzungen" nehmen zu wollen um das hin zu bekommen, was beim guten Drehen nötig ist. Aber erlernbar ist es auf jeden Fall mit viel Übung und Hingabe und am allerwichtigsten: Anleitung von jemandem, der gut drehen kann. Und es sollte in deinem Fall jemand sein, der keine Scheu davor hat, dass bei dir dann alles Seitenverkehrt aussieht.

Schönen Gruß
Maria
BrennNessel
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Registriert: Dienstag 10. Oktober 2023, 13:00

Re: Links rum zentrieren, rechts rum drehen??

Beitrag von BrennNessel »

Danke Hille und Maria für eure ermutigenden Antworten!
Ich habe ja ein wenig befürchtet, dass sich die Profis bei meiner Frage die Haare raufen... aber prima, dann heißt das wohl nicht, dass die Herangehensweise von vornherein zum Scheitern verurteilt ist (bei kleinen Stücken) und ich werde es einfach probieren.

Bzgl. gleich Umstellen auf linkshändig: Ja, das frage ich mich natürlich auch, ob das nicht sowieso besser wäre. Jedoch klappt das Drehen rechts (normal, gg. die Uhr, linke Hand im Stück) tatsächlich schon ganz gut. Fürs Drehen selbst reicht meine Kraft aus und ich hoffe auch, dass meine rechte Seite wieder besser wird. Das Drehen auf der linken Seite (mit der rechten Hand innen) habe ich schon ausprobiert - wie Maria sagt, langfristig macht es ja einfach mehr Sinn alles auf eine Art zu machen. Aber puh, da habe ich von 10 Batzen 9 in den Eimer gedreht... auf Rechts passiert mir das nicht mehr und das fühlt sich auch viel natürlicher an. Daher kommt mein Gedanke, eben nur das (kraftaufwändige) Zentrieren &Co umzudrehen und gegebenenfalls (hoffentlich) irgendwann zukünftig nur dies wieder umzulernen.

Ich würde mir liebend gern etwas Anleitung suchen! Kennt ihr den jemanden in Nordbayern, die/der mit einer "flexiblen" Haltung bzgl. rechtsrum oder linksrum oder wild gemischt ausgestattet wäre?
carboncookie
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Registriert: Donnerstag 15. März 2018, 22:31

Re: Links rum zentrieren, rechts rum drehen??

Beitrag von carboncookie »

Es gibt auch mechanische Zentrierhilfen, die bei bei Problemen mit dem Kraftaufwand helfen können. Hier hab ich mal etwas dazu geschrieben: viewtopic.php?p=34632#p34632
auch Car Jäger verkauft im Shop einen Tonzentrierer: https://shop.carl-jaeger.de/gesamtes-so ... html?c=101

Vielleicht wäre das eine Option für dich
Maria Ortiz Gil
Beiträge: 1027
Registriert: Dienstag 1. März 2016, 13:14

Re: Links rum zentrieren, rechts rum drehen??

Beitrag von Maria Ortiz Gil »

Diese Einrichtung zum Zentrieren mag im Einzelfall helfen, allerdings entfällt damit die Möglichkeit, den Tonbatzen auf der Scheibe durch mehrmaliges hochdrücken der Mitte und wieder herunterdrücken des oberen Teils nach außen, noch mal zu homogenisieren und eventuelle Luft raus zu arbeiten. Auch richten sich die Tonteilchen dabei schon mal günstig für das spätere hochziehen aus.
Um eine solche Zentierhilfe zu nutzen müsste der Tonbatzen also super gleichmäßig sein, was Anfängern ja schon schwer fällt hin zu bekommen. Ansonsten dürfte es auch dann ein ziemliches Gewackel geben, dem man mit diesen Hebelarmen ebenfalls mit Kraft standhalten muss.

Noch ein Tipp an BrennNessel:
Vielleicht ist dir das alles schon klar, aber für alle Fälle beschreibe ich hier nochmal wie man beim Zentrieren am Einfachsten Kraft einsetzt.
Es ist viel schwieriger, wenn man nur die Kraft der Arme einsetzt. Besser ist es mit dem ganzen Gewicht des Oberkörpers zu arbeiten. Dazu muss der Sitz ungefähr in Höhe des Scheibenkopfes
sein, damit man sich vom Hüftgelenk aus mit einigermaßen geradem Rückgrat nach vorne lehnen kann. Man sieht oft Videos, in denen Leute viel zu niedrig im Verhältnis zum Scheibenkopf in grausamer Körperhaltung mit in der Mitte abgeknicktem Rückgrat an der Scheibe arbeiten, ohne die Arme auf zu stützen. So eine Haltung bringt auf die Dauer nur Probleme für den Menschen und für den Topf.
Es ist besser mit dem Sitz in Scheibenhöhe die Unterarme auf die Oberschenkel auf zu stützen und die Hände möglichst zusammen zu lassen. Das ergibt ein ziemlich festes Knochengerüst und damit kann man sich nach vorne lehnen und viel Kraft abgeben. (außer beim hoch und runter schieben, da geht es ja nicht anders, als dass man die Hände voneinander entfernt und falls es ein größerer Batzen ist, beim Runterdrücken auch den rechten Arm vom Oberschenkel entfernt)
Dabei nicht vergessen, dass unsere Gelenke stufenlos verstellbar sind und in eine jeweils möglichst günstige Stellung für Mensch und Werk gebracht werden können. Damit gibt man dem Ton quasi eine veränderliche Schablone vor, durch die er sich durchzwängen muss.
Was auch hilft ist langsames, aber bestimmtes Anfassen und langsames Loslassen, damit der Batzen einige Umdrehungen lan Zeit hat, sich an die veränderte Krafteinwirkung an zu passen.
BrennNessel
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Registriert: Dienstag 10. Oktober 2023, 13:00

Re: Links rum zentrieren, rechts rum drehen??

Beitrag von BrennNessel »

@carboncookie
Oha, Sachen gibt’s! Vielen Dank für den Hinweis. Das merke ich mir auf jeden Fall für die Zukunft vor; falls ich keine andere Lösung finde, oder wirklich mal auf eine „echte“ Scheibe umsteige und größere Dinge drehe.
BrennNessel
Beiträge: 10
Registriert: Dienstag 10. Oktober 2023, 13:00

Re: Links rum zentrieren, rechts rum drehen??

Beitrag von BrennNessel »

@ Maria
Herzlichen Dank für Deine Erklärungen, das ist wirklich lieb!
Ich hoffe schon, dass ich die meisten dieser Dinge in meiner Haltung/Körpermechanik beherzige. Aber wahrscheinlich ist das nicht viel anders als bei einem Musikinstrument: Da meint man, alles gut umzusetzen - aber wenn ein Profi draufschaut, dann gibt es doch eine Menge Dinge, die noch besser sein könnten.
Tatsächlich habe ich eine etwas eigenwillige Sitzposition, das ist anderen Gründen geschuldet, aber das Abstützen und die Sitzhöhe gehen dennoch so, wie Du es beschreibst. Die Airgoo ist zwar eine Tischmaschine, aber auf dem Tisch habe ich sie immerhin nicht stehen 😅🤣.
Machst Du Anleitung per Zoom? Natürlich bezahlt, ich möchte auch hier Deine/eure (freundliche 🌸) Mühe nicht überstrapazieren! Ich hab‘ schon recherchiert in meiner Ecke, bislang aber ohne Erfolg. Zudem bin ich eh nicht allzu mobil derzeit.
Daher - wenn Du das machst (oder mit mir mal ausprobieren würdest) würde ich mich sehr freuen!
hille
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Re: Links rum zentrieren, rechts rum drehen??

Beitrag von hille »

Zum Sitz möchte ich noch ergänzen, am besten ist die Sitzfläche leicht schräg. Maria beschreibt es sehr gut, man dreht mit dem ganzen Körper, nicht nur mit den Armen und Händen.
Ok Gut
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Registriert: Mittwoch 4. Januar 2023, 14:06

Re: Links rum zentrieren, rechts rum drehen??

Beitrag von Ok Gut »

Hallo BrennNessel!
Ich hatte schon öfter Leute in meinen Kursen, die z.B. Linkshänder sind und gegen den Uhrzeigersinn drehen und umgekehrt, sogar manche, die zwischendrin wechseln. Sie hatten sich das entweder in anderen Kursen oder durch Videos schon so angewöhnt. Für mich waren einige Handgriffe nicht wirklich schlüssig (Reibung etc.), also habe ich wenigstens versucht, ihnen die anderen Varianten wenigstens näherzubringen, sofern sie sich umgewöhnen konnten. Solange es klappt, ist es ja auch gut, nur für jemanden, der unterrichtet klar verwirrend.

(Was gängige Scheiben betrifft, kenne ich auch Leute, die im Stehen oder am Tisch drehen, was die sitzende Position betrifft, kann ich Maria nur zustimmen. Ich versuche so nah wie möglich an der Scheibe zu sitzen, aber auch das ist natürlich abhängig von Größe und Körperbau.
Unbedingt auf die Höhe des Hockers achten. Entweder geht es bei der falschen Höhe auf den Rücken oder man unterbricht sozusagen die Zirkulation im im Bein, wenn man dieses z.B. auf dem Pedal einer Shimpo zu sehr anwinkelt. Krämpfe, Taubheit, Haltungsschäden, alles schon erlebt.
Schade, daß mehr Bewusstsein für dieses Thema oft nicht mit auf den Weg gegeben wird.)
Maria Ortiz Gil
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Registriert: Dienstag 1. März 2016, 13:14

Re: Links rum zentrieren, rechts rum drehen??

Beitrag von Maria Ortiz Gil »

Nur verhältnismäßig wenig Bewusstsein für dieses Thema wird deshalb vermittelt, weil dank der tollen Vervielfältigungsmöglichkeiten die man hat, ein jeder der mal ein Bisschen gedreht hat in der Lage ist, eine Kurs oder ein Tutorial an zu bieten, während man sonst, um töpfern zu lernen, zum Töpfer gehen musste.

@BrennNessel,
Tut mir leid, ich gebe keinen Unterricht mehr, und halte auch nicht viel davon das über Video zu machen, da man als lehrender ganz konkret eingreifen können müsste, um eine Wirkung spürbar zu machen, bin aber gern bereit, mal mit einer Antwort aus zu helfen, falls ich eine weiß.
BrennNessel
Beiträge: 10
Registriert: Dienstag 10. Oktober 2023, 13:00

Re: Links rum zentrieren, rechts rum drehen??

Beitrag von BrennNessel »

Guten Abend!
Ich wollte mal die Rückmeldung geben, dass es nun schon viel besser läuft - und zwar auch das Zentrieren "normal" herum!

Eure Tipps, vor allem die zur Position Hüfte-Scheibe, Höhe, Nähe, Aufstützmöglichkeit, ganzer Körper zentriert mit usw. habe ich alle nochmal versucht, besser auf meine Situation (sitze mit der Scheibe am Boden) anzupassen. Tatsächlich ging da noch Einiges!
Nun brauche ich beim Zentrieren weniger Kraft in der rechten Hand, habe, umgekehrt zu vorher, sogar das Gefühl, es kommt mehr Kraft aus der Linken.

Ich bin sehr glücklich und darf freudig erstaunt feststellen, dass es so ist, wie alle immer sagen: Mit gut zentriertem Ton dreht es sich so viel besser!
Vielen Dank in die Runde, das hat mir sehr geholfen.
Maria Ortiz Gil
Beiträge: 1027
Registriert: Dienstag 1. März 2016, 13:14

Re: Links rum zentrieren, rechts rum drehen??

Beitrag von Maria Ortiz Gil »

Hallo BrennNessel,
schön zu hören, dass es nun besser läuft!

Mir ist noch eingefallen, dass ich die alten Töpfer in Spanien nicht v o r der Scheibe, sondern leicht rechts n e b e n der Drehscheibe habe sitzen sehen. Sie schlagen dann das linke Bein über das rechte und stützen sich mit dem linken Unterarm auf dem Oberschenkel ab und lehnen den Oberkörper dann seitlich, nach halb links auf den Tonbatzen. So kann man auch sehr gut Gewicht abgeben.
Das hat auch den Vorteil, dass man das Rückgrat nicht so verbiegen muss um die Linie des Topfes zu kontrollieren, weil man sowieso schon seitlich drauf schaut.
Auf einer Shimpo oder vergleichbaren Scheibe würde einem das Pedal und der Hebel in die Quere kommen, aber auf einer Scheibe mit Schwungrad geht das sehr gut und ich fand die Position zum Abdrehen immer recht bequem, wenn ich viel zu tun hatte und zwischen durch in diese Körperhaltung wechseln konnte.
Ich schreibe dass, für denn Fall dass du mit deinem speziellen Problem etwas damit anfangen kannst.

Schönen Gruß,
Maria
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