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Der Studiengang
Keramik
an der Burg Giebichenstein in Halle
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Über
Kunst, (Kunst)-Handwerk
und die Freiheit des Materials.
Ein
Gespräch mit Studentinnen der Burg Giebichenstein, Fachbereich
Keramik. Susanne, Gerit, Pauline, Simone
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Warum
habt ihr euch für Giebichenstein entschieden und nicht für Höhr,
Stuttgart, Nürtingen oder München?
Simone: Naja, zuerst ist man ja froh, überhaupt genommen
zu werden. Hätte das nicht geklappt, hätte ich mich noch in Nürtingen
und München versucht. Die anderen Schulen haben mich nicht angesprochen.
Susanne: Mir war Halle wichtig, weil ich wußte, daß
es hier eine solide Grundausbildung gibt, die fächerübergreifend
arbeitet, d.h. auch mit anderen Fachbereichen zusammen, so z.B.
Malerei und Graphik. Ich wollte zuerst Graphik studieren, bin dann
aber bei der Keramik gelandet und bin sehr froh darüber. Simone:
Auch ein Grund der für Halle spricht ist der, daß an den anderen
Schulen (Höhr ausgenommen) die Keramik oft ein kleiner Fachbereich
ist. In München z.B. gab es danach 2 Räume im Keller und Du siehst
ja, was wir hier geboten kriegen.
Simone
hat vor dem Studium eine Töpferlehre gemacht, Gerit auch. Ihr anderen
jedoch nicht. Seht ihr das als Vorteil an, oder ist es eher ein
Nachteil?
Simone: Es ist beides. Vorteil ist, daß ich das Vorbereitungsjahr
überspringen konnte. Auch habe ich durch die Ausbildung ein fundierteres
Wissen und Können, obwohl hier in diesem ersten Jahr schon viel
vermittelt wird. Nachteilig sehe ich allerdings im Nachhinein die
Beschränkung auf 1-2 Techniken nämlich die des Ausbildungsbetriebes.
Im vorpraktischen Jahr wird intensiv drehen geübt, es gibt ja keinen
wirtschaftlichen Risikofaktor.
Susanne: Aber es ist natürlich auch kein Druck dahinter, auch was
die theoretische Ausbildung betrifft. Es wird zwar gerne gesehen,
wenn man sich beispielsweise intensiv mit Glasurtheorie beschäftigt
und wir hatten auch ca. 3 Stunden pro Woche Theorieunterricht, aber
allzu viel ist nicht hängen geblieben. Im Drehen kann man sich allerdings
wirklich eine gute Grundlage aneignen.
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Aber auch
dieses erste Jahr ist relativ frei?
Susanne: Ja, es gibt zwar einen Arbeitsplan, der aber
wird dann doch sehr frei interpretiert.
Hättest
du gerne eine Lehre gemacht?
Susanne: Nein. Ich sehe zwar auch die Vorteile einer
Lehre, aber ich hätte keine Lust auf die Berufschule gehabt. Diese
drei Jahre Ausbildung haben mich auch abgeschreckt. Ich denke auch,
daß man ohne Lehre freier und unverkrampfter ans Material herangehen
kann. Obwohl Du Dich auch nach einer Lehre natürlich wieder freimachen
kannst. Allerdings habe ich auch von Leuten gehört, die schon ein
ganzes Jahr hier studieren und feststellen auf irgend eine Art noch
immer die Formen aus der Lehrwerkstatt zu drehen. Wir haben hier
jedoch eine künstlerische Mitarbeiterin, die sich ausschließlich
mit dem Thema Gestaltung beschäftigt (Form, Farbe & Dekor)
Simone: Das war ein echter Mangel in der Lehre. Gestaltung
hat keine Rolle gespielt. Hier ist mir das erst bewußt geworden,
daß mir das total gefehlt hat.
Gerit: Ich finde eine Lehre sinnvoll, ich habe selbst
eine gemacht und zwei Jahre als Gesellin gearbeitet.
Und auch
sinnvoll davon wieder wegzukommen?
Gerit: Auf jeden Fall! Was ich hier alles kennengelernt
habe, was alles möglich ist, das hast du weder in der Lehr- noch
in der Gesellenzeit. Und das ich experimentieren kann, ohne ständig
ans Geld, ans Überleben denken zu müssen, wie ein Töpfer, der sich
selbständig macht, das ist schon toll. Vor allem kann ich hier rausfinden,
was ich wirklich machen will. Ich war z.B. früher immer ganz heiß
auf Freifeuer, mittlerweile bin ich aber beim Elektroofen gelandet.
Sozusagen vom „Ursprünglichen” weg. Mittlerweile will ich auch nur
noch die reinen Farben und zwar aus dem Katalog. Den Anspruch selbst
Glasuren mischen zu müssen, habe ich abgelegt. Man kann sich nicht
auf alles konzentrieren.
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Aber die
Schule prägt euch doch sicher auch, was Stil und Stilempfinden angeht.
Provokativ ausgedrückt: wenn ihr hier rauskommt, sieht man erst
einmal, daß ihr an der Burg studiert habt. Susanne:
Kann schon sein.
Simone: Da muß ich dir aber widersprechen. Ich bin
der Meinung, daß dieses Kunststudium den Sinn hat, meinen eigenen,
persönlichen Weg zu finden und nicht irgend etwas zu kopieren. Die
Leute sind hier auch selbst so unterschiedlich in sich und dem,
was sie machen, daß ich nicht den Stempel „Burg Giebichenstein“
dabei rauslesen könnte.
Susanne: Es ist vielmehr Angst dabei, ins Kopieren
der Sachen von z.B. der Professorin zu geraten. Man will das eigentlich
vermeiden.
Simone: Ich könnte das eventuell noch für das Grundstudium
sagen, weil hier noch ganz handwerkliches vermittelt wird, z.B.
beim Aktzeichnen. Beim Semesterdurchgang ist dann doch sehr viel
gleiches oder ähnliches zu sehen.
Susanne: Ja, so sehr ähnlich ist das aber auch nicht.
Dazu ist die Handhabung zumindest bei unserer Professorin auch bei
der „klassischen Ausbildung“, z.B. Anatomie, viel zu frei.
Also,
gewisse „Trends“, Richtungen, Strömungen gibt es nicht?
Simone: Doch, na klar, die gibt es auch. Aber die kommen
nicht unbedingt von der Schule, sondern finden sich doch allgemein
in der Kunst. Konzeptionell zu arbeiten ist hier z.B. momentan sehr
„trendy“.
Und bei
Euch im Fach Keramik, was ist da gerade „in“?
Susanne: Da sehe ich keine Strömungen, wir sind hier nun
auch nicht so viele Leute, da macht doch jede(r) was ganz Eigenes.
Das Thema Gefäß, spielt das eine Rolle bei euch? Beschäftigt sich
z.B. jemand mit dem Thema Serie?
Susanne: Im Moment nicht. Das war wohl früher eher
ein Thema, aber in den letzten Jahren macht kaum jemand mehr. Obwohl
die Themen von den Profs so gestellt werden, daß auch eine Gefäßinterpretation
möglich wäre. Im vorpraktischen Jahr spielt das Gefäß natürlich
eine Rolle, weil man da ja auch das Drehen lernt.
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Hat
die Mehrzahl der Leute eine Lehre, die hier anfangen, oder eher
umgekehrt?
Susanne: Seit die Lehre keine Voraussetzung mehr ist, sind
es mehr Leute ohne Lehre.
Gerit: Bis vor drei Jahren gab es in Bürgel noch eine
Werkstatt, in der du nach zwei Jahren dann die Gesellenprüfung ablegen
konntest. Danach bist du dann erst hier an die Burg gekommen. Jetzt
gibt es eben nur noch das Vorbereitungsjahr direkt an der Burg und
eine Lehre ist nicht mehr Voraussetzung für die Aufnahme.
Wo
steht ihr selbst? Und wo steht für euch die Keramik, Kunst, Handwerk,
Kunsthandwerk?
Simone: Als Handwerk betrachte ich das hier nicht. Hier
geht es nicht darum, Steinzeugton hoch zu brennen oder funktionales,
spülmaschinengeeignetes Geschirr herzustellen. Das ist nur ein Kapitel.
Es geht darum, das Material als Ausdrucksmittel zu benutzen, da
sind z.B. Risse gestalterische Elemente.
Und wo
steht das Funktionale, das Gefäß?
Pauline: Na, das Gefäß ist hier ja eigentlich kein Thema.
Höchstens mal so nebenbei.
Susanne: Wie vorhin schon gesagt, man könnte sich
damit beschäftigen, aber es gibt kaum jemand, der deshalb hier ist.
Klingt vielleicht komisch, auch für Studienanfänger wie uns, aber
wir sind wegen der Kunst hier, um uns über das Material künstlerisch
auszudrücken, wobei die Funktion vielleicht phasenweise eine Rolle
spielt. Und man sich sagt: Jetzt drehe ich und will auch, daß die
Sachen schön und benutzbar sind.
Pauline: Du hast es ja selbst erwähnt, die unglaubliche
Vielfalt des Materials. Das ist ja auch der Reiz daran, daß man
sowohl Malerei als auch Bildhauerei betreiben kann. Es gibt soviele
Möglichkeiten, man hat die völlige Freiheit. Grenzen gibt es natürlich
auch, die erprobt man während des Studiums. Übrigens sehe ich das
hier gar nicht als Streitfrage an. Auch eine Tasse kann Kunst sein.
Als Kulturgegenstand ist da ja schon ein Wert vermittelt worden,
das so ein Gegenstand auch eine Aussage über eine Zeit, ein Thema
treffen kann.
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Und diese
Vielfalt, bringt die einen nicht ins Schwimmen?
Gerit: Na, durch die Vielfalt finde ich heraus, wo ich hin
will. Am Anfang dachte ich z.B. ich will Gefäße machen. Ich war
nicht von der Scheibe zu kriegen, bis die Professorin sagte: Komm
mal da runter. Dann mußte ich was kneten.
Simone: Klingt wie Zwangsarbeit.
Gerit: Ja, dann habe ich Schuhe gebaut. 60-70 Schuhe.
Ich dachte schon, ich baue jetzt den Rest meines Lebens Schuhe.
Bis sie wiederum sagten: Jetzt hör mal auf damit. War ganz gut,
daß da immer wieder jemand nach mir geguckt hat, mich gezwungen
hat, Schlußstriche zu ziehen. Alleine wäre ich nicht so schnell
weitergekommen. Die Teekannen, die ich am Anfang gemacht habe, sahen
aus wie in meinem Betrieb. Der lockere Umgang und der eigene Weg
kommen erst, wenn man alles mal durchprobiert hat. Trotzdem ist
es ganz wichtig, daß man das Handwerk beherrscht. Wenn die künstlerische
Kanne nämlich nicht gießt, macht man sich nur lächerlich vor den
Handwerkern.
Ihr seid
ja nun hauptsächlich Frauen hier…
Gelächter.
Susanne: Ja, das ist ganz lustig: Nach der Aufnahmeprüfung
heißt es meistens: Und wenn man auch ein Auge zudrückt, es war beim
besten Willen kein Mann dabei. Naja, inzwischen sind es immerhin
4 Männer…
Pauline: Auf den Studienablauf hat das eh keine Auswirkung,
ob da jetzt Männer dabei sind, oder nicht.
Naja,
das wäre eine eigene Diskussion wert …
Susanne: Ich denke schon, daß die Männer zum Teil ganz andere
Sachen machen, aber ansonsten spielt die Verteilung keine Rolle.
Wie gesagt, da bin ich mir nun nicht so sicher. Aber das führt jetzt
zu weit.
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Anderes
Thema: Macht ihr als Studentinnen eigene Projekte und Ausstellungen?
Simone: Ja. Es gibt natürlich über die Schule Angebote,
z.B. fächerübergreifende Projekte, die mit einer Ausstellung abschließen.
Private, selbst organisierte Ausstellungen gibt es natürlich auch.
Für die, die es wirklich wissen wollen, bieten sich genügend Gelegenheiten.
Ausstellungen, Ausschreibungen, Wettbewerbe.
Susanne: Das machen aber mehr die Leute im Hauptstudium.
Gerit z.B. auch, die macht ja nun nächstes Jahr Diplom.
Simone: Ich wollte das jetzt noch gar nicht. Ich sehe
mich noch in der Lernphase, ich habe ja gerade erst angefangen.
Was machen
die Leute, wenn sie hier mit dem Studium fertig sind?
Gerit: Häßliche Gefäße, weil sie nicht ordentlich drehen
können.
Da schau
her – doch wieder Gefäße?
Gerit: Naja, Kunst kannste halt auch nicht immer verkaufen.
Ist machmal schon traurig, was die Leute aus ihrer hier erlebten
Freiheit machen.
Simone: Hör mal, es gibt ja auch noch andere Mittel
und Wege an Geld zu kommen, ohne gleich wieder schlechtes Handwerk
zu machen. Ausstellungen, Wettbewerbe…
Hat schon
mal jemand behauptet, es wäre einfach, von Keramik zu leben?
Ich danke Euch
recht herzlich für das Gespräch. – Interview und Gespräch führte
Christiane Schlegel.
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