kalkspatz Töpferblatt 2 '97

der letzte Abdruck des kalkspatz ö.V.

ein persönlicher Rückblick ohne Reue

von Gebhart Blazek

Gegründet im Herbst 1992, hat der kalkspatz in Österreich ein Alter von knapp fünf Jahren erreicht und steht nun unmittelbar vor seiner Auflösung.

Ein Mißerfolg? Eine Enttäuschung? Ja und Nein.

Die Gründung des Kalkspatz in Österreich geht auf das 3. Symposium in Bethel / Bielefeld zurück, an dem ich gemeinsam mit Barbara Schmidt und Reinhold Dex teilgenommen hatte. In der aufgeladenen Stimmung während der Heimreise, fasziniert von der Tatsache, daß eine Veranstaltung derartiger Größenordnung und Bedeutung von einer "Non Profit" - Organisation bewältigt werden konnte, spielten wir mit dem Gedanken das Symposium nach Österreich zu holen.

Nach einiger Recherche und Überlegung stand fest, daß eine eigenständige Rechtsform in Österreich unumgänglich war. Zumal ich den Kalkspatz seit Jahren aus Deutschland kannte und schätzte, war die Gründung eines Pendants in Österreich eine Tugend, die aus der Notwendigkeit des mittelfristigen Zieles Symposium im Österreich entstand. Warum dann nicht gleich mehrere Fliegen mit einem Streich erwischen und die Basis für alle möglichen anderen Projekte schaffen, die einem schon seit längerem wage im Kopf herumgeisterten?

So kam es zum Verein in Österreich, in der anfänglichen Beseeltheit gegenüber der Idee zu einer Reihe recht gut aufgenommener Veranstaltungen und schließlich früher als erwartet - wir hatten an das fünfte, nicht an das vierte gedacht - zur Durchführung des Symposiums in Gmunden.

Der kalkspatz ö.V. war im Zuge dieser Veranstaltung auf die für hiesige Verhältnisse angemessene Größe von rund 50 Mitgliedern angewachsen. Diese Dimension wäre geeignet gewesen, mittelfristig eine existenzielle Grundlage für ein vitales Leben des Vereins sicherzustellen.

Dem gegenüber steht die Realität der vergangenen zwei Jahre. Der kalkspatz ö.V. verabschiedet sich jetzt nicht aus heiterem Himmel, sondern hat sich eigentlich seit dem Symposium in Gmunden langsam davongeschlichen. Barbara und Reinhold hatten sich nach nicht ganz drei Jahren aus dem Vorstand zurückgezogen, womit der Verein noch stärker als zu Beginn, vor allem im organisatorischen Bereich an meine Person gebunden war.

Mit meinem Berufswechsel vor zwei Jahren, von der Leitung einer Keramikwerkstatt für Mehrfachbehinderte zur professionellen Beschäftigung mit alten nordafrikanischen Stammesteppichen und - textilien, rückte ich auch weitgehend vom Thema ab. Meine Möglichkeiten, mich weiter mit Keramik zu beschäftigen, stießen neben den beruflichen Gründen nicht zuletzt auch aufgrund meiner inzwischen geborenen zwei Kinder auf zusehends engere Grenzen. Damit war auch der Weiterführung des "Einmannbetriebes" ein absehbares Ende gesetzt.

Bei aller eventuell gerechtfertigten persönlichen Wehmut glaube ich, daß eine Fortsetzung des ö.V. auf dieser Basis mittelfristig auch nicht sinnvoll gewesen wäre und das Ende somit zwangsläufig irgendwann kommen mußte.

Nach dem Symposium in Gmunden, als der Kern des Organisationsteams zu einem abschließenden Kaffee zusammen saß, sagte ich sinngemäß in die Runde, das für mich faszinierende am kalkspatz e.V. sei die "nomadische" Form des Auftretens. Das bedeutet, mit sparsamen Ressourcen, ohne feste örtliche Bindungen oder Strukturen dort zu handeln, wo sich im Moment das beste Umfeld bietet. Das bedeutet, in einem Betrieb, der keine feste Organisationsform kennt, eine hohes Maß an Bereitschaft jedes einzelnen Beteiligten, Verantwortung dort wahrzunehmen, wo sie im Augenblick nötig ist. Und es bietet die Möglichkeit, unter schwierigen und verhältnismäßig unsicheren Voraussetzungen Dinge geschehen zu lassen, die kurz darauf nicht mehr sichtbar sind und dennoch unsichtbare, prägende Spuren hinterlassen.

Soviel zu dem, warum ich glaube, daß der kalkspatz e.V., bei allem oft anarchischen Auftreten gerade dabei ist seinen zehnjährigen Bestand zu feiern und nach wie vor einen recht vitalen Eindruck macht.

In Österreich ist es wohl nicht gelungen eine derartige Handlungsgrundlage zu finden, eine schwer definierbare Mischung aus einem ausreichend professionellen Auftreten, das gleichzeitig nicht den Eindruck eines normalen Dienstleistungsunternehmens erweckt und somit eine Polarisierung in Anbieter und Konsumenten bewirkt. Meiner Meinung nach ist ein Gebilde wie der kalkspatz als voll professioneller Betrieb nicht finanzierbar. Elementare Lebensgrundlage ist deshalb ein Prinzip der Ehrenamtlichkeit mit einem Gefühl der Verantwortung gegenüber einem gemeinsamen Interesse. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, daß ein in dieser Grauzone des Semiprofessionalismus geführter Verein in Österreich eine Existenzberechtigung und ein weites Betätigungsfeld hat. Bedingung dafür wäre selbstverständich eine entsprechend breitere Basis, die augenblicklich nicht gegeben scheint.

Um abschließend nochmals auf meine seinerzeitige Metapher des Prinzips der Nichtseßhaftigkeit zurückzukommen:

Nomadische Gesellschaften leben aufgrund des hohen Überlebensdrucks in den Randgebieten menschlicher Besiedelung immer in einem strengen Netzwerk empirisch bewährter Traditionen. Aus der selben Notwendigkeit heraus müssen sie sich jedoch die Flexibilität bewahren, in dem Moment mit diesen Traditionen zu brechen, wenn die existenzielle Grundlage abhanden kommt.

Der kalkspatz ö.V. wird aufgelöst.


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