5. Symposium "Therapeutische und Pädagosche Möglichkeiten mit Ton"

1.-3. Mai 1998 im Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren

Ein Resumèe - oder wie Christian fragen würde: Ist die Übung gelungen?!!!"

Jedenfalls merke ich noch heute das Kribbeln im Bauch und die Nervosität, als die ersten Teilnehmer/innen den als Plenum zur Verfügung gestellten Festsaal im Bezirkskrankenhaus betreten. Wird die Kamera noch rechtzeitig zu Beginn kommen? Ist der Bücherstand richtig eingerichtet? Liege ich mit meinen Empfehlungen an die beiden Buchhandlung einigermaßen richtig? Können wir den Erwartungen von über 100 Töpfern, Lehrern, Sozialarbeitern, Psychologen, Erziehern, Heilpädagogen uvm gerecht werden, oder gibt's das, wie einige böse Zungen behaupten, berühmt-berüchtigte kalkspatz Organisations- und Technikchaos?

Die ersten zehn Minuten laufen und noch ist weder die Pinnwand mit den Listen zur Einschreibung in die Arbeitsgruppen umgefallen, noch die Kaffeemaschine explodiert. Und trotzdem, das ein oder andere etwas enttäuschte Gesicht sieht man doch. Denn nicht jeder findet einen Platz in der Arbeitsgruppe, die er sich erwünscht oder erhofft hatte. Ein Grund an dieser Sache für das nächste Symposium ein bisschen zu feilen.

Die ersten 1,5 Std. vergehen jetzt wie im Flug, dann hat so ziemlich jeder seinen Platz gefunden und es wird gespannt auf den Beginn gewartet. Ruhe kehrt ein, denn nicht der plastische Ton macht zunächst die Runde, sondem es findet eine Einstimmung mittels Gongkonzert von Medio E. Endres statt. Beeindruckend in wieviel verschiedenen Variationen ein Gong gespielt werden kann, Gleichzeitig verdeutlicht es die Facettenhaftigkeit des Symposiums. nämlich: "Die unzählig verschiedenen Anknüpfungspunkte und Variationsmöglichkeiten die der Werkstoff Ton bietet.

Nach einer kurzen Einführung von Christian gehts dann zum ersten Vortrag über. Elisabeth Rieder stellt stellvertretend für das Ergotherapeutenteam die "Therapeutische Arbeit im Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren, im Brennpunkt zwischen TradItion und Moderne" dar. Der Bereich der Arbeits- und Beschäftigungstherapie ist in Kaufbeuren, wie auch in den meisten anderen Bezirkskrankenhäusern seit nunmehr gut zwei Jahren zusarnrnengefasst.

Nachdem ein Patient in der Klinik aufgenommen wurde und sich sein Befinden soweit stabilisiert hat, dass er aus medizinischer Sicht an den verschiedenen Aktivitäten auf und außerhalb der Krankenstation teilnehmen kann, wird vom Arzt in aller Regel "Ergotherapie" verordnet.

Durch ein Erstgespräch mit dem Patienten das dem Kennenlernen und der Aufnahme einer Beziehung dient, können sich schon erste Weichenstellungen für die ergotherapeutische Behandlung ergeben.

In der Beschäftigungstheraoie stehen unter anderem folgende Möglichkeiten zur Verfügung:

Häufig zeichnet sich im Erstgespräch auch schon ab, ob es sinnvoll ist einen Patienten im arbeitstherapeutischen Bereich aufzunehmen. Dieser urnfasst im BKH die Möglichkeit der Arbeit im Büro, in der Gärtnerel, der Schreinerei, sowie Aufträge der ansässigen Industrie.

Im anschließenden Wekstattbericht wurde das Projekt einer kleinen Gruppe von Patienten aus der Forensik (gerichtsrnedizinischer Bereich), unter der Leitung von Rudi Weikert und Beate Hetzenegger, sowie der fachmännischen Beratung von Christian Möller, vorgestellt, die im Hinblick auf das Symposiurn eine ca. 3 Meter hohe Plastik erarbeitet hatten.

Die Gestaltung erwies sich zunächst etwas schwierig, da die Materie und Technik den Patienten weitgehend fremd war und die Gruppe sich erst zusarnmenfinden rnusste.

Im Laufe der 4 Wochen dauernden Arbeit entwickelte sich aber zunehmend Freude und Gefallen an diesem Projekt. Es entstand ein wachsendes ''Wirgefühl'' und eine ldentifikation mit dem Projekt, was unter anderem seinen Ausdruck darin fand, dass die Vornamen der Beteiligten in die Gestaltung mit einbezogen wurde.

Mit der Einweihung der Plastik wurde dann der Vormittag beschlossen. Um 15 Uhr stand dann das erste Trefien der insgesamt 10 Arbeitsgruppen auf dem Tagungsprogramms. Während sich die meisten Gruppen auf diezur Verfügung gestellten Räumlichkeiten in den verwirrend vielen Gebäuden zurückzogen, machte sich die AG 1 von Wilfried Boch in einem Zelt direkt vor dem Festsaal ans Werk. Papier-Ton-Feuer: unter der Devise stand der Bau und Brand eines Papierofens. Die genaue Anleitung. mit einigen Bildern vom 5. Symposium, haben wir uns erlaubt etwas weiter hinten im Töpferblatt zu veröffentlichen.

Eine umfassende Beschreibung aller Arbeitsgruppen würde an dieser Stelle mit Sicherheit den Rahmen des Töpferblatts sprengen. Deshalb folgt jetzt nur eine kurze.Auflistung der angebotenen Themen mit einigen Bildern (die Dozenten, Teilnehmer und Interessierten mögen's mir verzeihen).

Die Arbeitsgruppen:

AG 2 Erfahrungen von Symbolen durch Tonerde

Dozent: Erhard Dill

AG 3 Schneckenhaus

Dozent: Lucia Dümel

AG 4 TON-TONUS-TON

Dozent: Ute Endres

AG 5 Gegen den Stress und für die Freude

Dozent: Emst Endres

AG 6 Geheimnisse der Tonkugel

Dozent: K, Flurer Brünger

AG 7 Tonerde erleben mit Kindem

Dozent: B. Kullik-Kuch

AG 8 Die Tonmaske

Dozent: Sue Mast

AG 9 Wird das gebrannt

Dozent: M. Scheibmayer

AG 10 Arbeit am Tonfeld

Dozent: C. Schwarz-Kreise

Am Abend berichtete dann Annetraud Stange in ihrem Vortrag "Zeit des Erwachens'' zunächst über den Arbeitsalltag in der Keramikwerkstatt (bzw. über den Aufgabenbereich der AbteilungErgotherapie) des Westfälischen Zentrums für forensische Psychiatrie.
Anders als im BKH Kaufbeuren ist der ergotherapeutische Aufgabenbereich hier mehr auf den arbeitstherapeutischen Ansatz konzentriert. Der keramische Bereich bietet dabei, mit 36 Patienten und 4 Mitarbeitern, ein relativ breites Betätigungsfeld (angefangen von einfacher Gießkeramik über Aufbauarbeiten und plastischem Gestalten bis hin zum freien Drehen) an.

Später schilderte Frau Stange dann das mühsame Erwachen eines psychotischen Patienten, der erst über das Medium Ton seine "Wahnvorstellungen" verarbeiten konnte.

Her T., der mit der Diagnose paranoide Schizophrenie in das Westfälische Zentrum für Psychiatrie "eingeliefert" wurde, vermied zunächst jeden Kontakt zu den anderen Patienten und Betreuern. Über das plastische Gestalten konnte zunächst ein Psychologe Zugang zu ihm finden. In der Folgezeit nahm er erst zögerlich, später dann regelmäßig und von sich aus, das keramische Arbeiten in der Gruppe in Anspruch. Dabei entstanden Plastiken, die sehr anschaulich seine "Eingeengtheit" bis hin zu einer gewissen Lösung, oder besser Befreiung, darstellen.Die Plastiken waren im Anschluss an den Vortrag in einer kleinen Ausstellung zu besichtigen.

Nach einer geruhsamen, aber leider viel zu kurzen, Nacht und einem üppigen Frühstück sammelten sich die Teilnehmer/innen wieder im Festsaal um gespannt dem Werkstattbericht von Jana Heistermann über die Aktivitäten im Haus Steinstraße e.V Leipzig zu lauschen.

Indem verschiedene Prinzipien der Montessoripädagogik (nicht nur in der Keramik, sondern teilweise auch in denanderen vielfältigen kulturellen und politischen Angeboten des Hauses) umgeseztz werden, wird das Arbeiten mit Ton in einem ganzheitlichen Kontext möglich.

Konkretisiert werden diese Aspekte unter anderem durch die Integration behinderter Kinder, den einladenden Charakter des Hauses, die motivationsfördernde Strukturierung des Arbeitsplatzes u.v.m.

Gemeinsame Projekte (z.B. die Mauergestaltung die im TB beschrieben wurde) Aufführungen und Vernissagen lassen die Bearbeitung einer Thematik aus den verschiedensten Gesichtspunkten zu, wobei allerdings immer die Ideen, Inspirationen und das Engagement der Kinder absolute Priorität hat.

Gleich im Anschluss ging es dann mit dem Vortrag von Wilfried P. A Boch weiter, der die keramische Arbeit mit lernbehinderten Kindern an einer Förderschule beschrieb.

Der Leitsatz, der Weg ist das Ziel, beinhaltete bereits, dass es hier nicht um das Erlangen technischer Fertigkeiten ging, sondern um das Einzel- und Gruppenerlebnis durch das Material Ton.

Seit Jahren setzt Wilfried Boch dabei zur Lockerung und Lösung zwischendurch "blindes Töpfern" , "meditatives Töpfern" und die Umsetzung von Phantasiereisen ein. Einen weiteren wesentlichen Aspekt stellt für ihn die Verdeutlichung des Brennvorgangs dar. Projekte wie Freifeuerbrand, Schmauchbrand und Schwarzbrand sind deshalb bei ihm keine Seltenheit.

Ute Endres ist bestimmt für die meisten Interessierten ein Begriff. Beim diesjährigen Symposium stellte sie zusammen mit ihrem Mann, die Forschungsergebnisse von Professor Alfred Tomatis dar. Dieser beschäftigt sich mit der Wirkung von hochfrequenten Tönen (0bertönen) auf die körperliche Befindlichkeit. Als Beispiel eines Musikinstrumentes sei hier das Monochord angeführt, das diese Frequenzen hörbar macht.

Ute Endres macht sich neben Entspannungsübungen, Phantasiereisen uvm. diese Erkenntnisse zunutze, um Schülerinnen und Schüler der Windmühlenschule auf das gemeinsame Plastizieren einzustimmen.

Danach folgte das traditionelle Symposiumsfest, mit Livemusik und einem riiieeesigen kalten Buffet aus der Küche des Bezirkskrankenhauses und vielen äußerst originellen Darbietungen und angeboten einiger Teilnehmer (zB. Schweizer Mundartlieder, eine Jonglage zum Thema Tiefenpsychologie usw.) Ein rauschendes Fets, das bis in die frühen Morgenstunden andauerte.

Der nächste Tag lief dann verständlicherweise etwas geruhsamer an, denn 4 Std. Schlaf waren doch für viele, die bis zum Schluss des Festes geblieben waren etwas dürftig. Zunächst wurde der Papierofen ausgebaut und die zum großen Teil recht schönen Brennergebnisse bewundert. Persönlich haben mir besonders die Gegenstände gefallen die poliert dem Feuer ausgesetzt wurden und in einem herrlichen ''Schwarz'' zum Vorschein kamen.

Später war dann zunächst Bodo Röder mit seinem Werkstattbericht 10 Jahre keramisches Arbeiten in einer additiven Gesamtschule an der Reihe. Anfang der 80er Jahre hatte er begonnen, im Rahmen von Projektwochen, Keramik an seiner Schule zu etablieren, Verschiedene Aktivitäten, wie der Bau eines Hangofens und eines großen Salzbrandofens führten später zur Gründung einer Keramik AG, die nun im Fach Arbeitslehre (das in allen Schulzweigen unterrichtet wird) integriert, sich über den Verkauf von Gebrauchskeramik selber trägt.

Den Abschluss des Symposiums bildeten die Berichte aus den Arbeitsgruppen mit durchweg originellen und äußerst informativen Vorträgen und Darbietungen.

Zu guter Letzt ein riesiges Dankeschön:

- An das Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren für die liebevolle Aufnahme, den absolut tollen Hilfestellungen bei der Organisation und Durchführung. die wunderbare Bewirtung durch die hauseigene Küche.

- An alle Helferinnen und Helfer, die den reibungslosen Ablauf des Symposiums erst möglich gemacht haben

Und an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer für ihre Kreativität, Spontanität und gute Laune.

Man kann wirklich sagen: Diese Übung ist gelungen

P.S. Im nachhinein muss ich sagen, das meine Beschreibung natürlich langst nicht alles beinhaltet, was auf dem Symposium los war, gelaufen ist, stattgefunden hat. Mehr gibt's in ca. 1 Jahr, wenn die Dokumentation des Symposiums fertig ist.