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Seminarbericht
Japan: Der IWCAT-Workshop
1999
von
Jakob Wiener
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Genau
vor einem Jahr hatte ich die Gelegenheit, an dem „International
Workshop for Ceramic Arts“ in Tokoname teilzunehmen und auf Anregung
von Nine werde ich davon ein wenig berichten:
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Wie
hatte alles angefangen? Im vorletzten Jahr des letzten Jahrtausends
hatte mich plötzlich der starke Wunsch gepackt, die sagenhafte japanische
Keramik einmal persönlich kennenzulernen … aber wie und wo und wann?
Aber wie immer, wenn der Wunsch stark genug ist, erzeugt er jenen
geheimnisvollen Magnetismus, der alle sogenannten Zufälle anzieht,
die die Realisierung des Wunsches ermöglichen. So traf ich in Berlin
„zufällig“ eine Keramikerin (Claudia Starke, Vielen Dank), die im
Vorjahr am IWCAT teilgenommen hatte und wie sie mir davon berichtete,
wußte ich: Das ist es!!! Nach dem Einsenden der Bewerbungsunterlagen
(mindestens 20 Fotos/Dias von Arbeiten der letzten 3 Jahre) hatte
ich das Glück, gleich im selben Jahr angenommen zu werden.
Ein
halbes Jahr später holte mich meine Gastfamilie am Bahnhof von Tokoname
ab, eine halbe Stunde Zugfahrt von Japans drittgrößter Stadt Nagoia.
Tokoname ist eine kleine Stadt mit ca. 40.000 Einwohnern, von denen
4.000 mit Keramik ihr Geld verdienen. Es gibt hier als Hauptarbeitgeber
den Fliesen- und Sanitärkeramikriesen INAX, der jährlich Stipendien
und einen INAX-Preis unter den Stipendiaten vergibt.
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Dazu
kommen jede Menge mittlere und kleinere Betriebe mit halbindustrieller
Fertigung und weiterhin viele Töpferwerkstätten die sich alle in
dem Spektrum zwischen Kunst und klassischer oder traditioneller
Gebrauchskeramik bewegen.
Der
IWCAT Workshop wurde 1999 zum 15. Mal von einer ehrenamtlichen Gesellschaft
veranstaltet, diese lädt jährlich 15 bis 20 Keramiker aus aller
Welt ein. In diesem Jahr kamen die 15 Teilnehmer aus den USA (4),
den Niederlanden (2), Taiwan (2), Indien (1), Israel (1), Bolivien
(1), Thailand (1) und insgesamt drei Keramiker aus Deutschland.
So
bunt wie diese Zusammenstellung war auch das Alter (zwischen 19
und 56 Jahren) und die verschiedenen Vorbildungen der Teilnehmer:
Da gab es einen Gesellen, gestandene Leute mit eigenen (Industrie-
und Werkstatt-) Betrieben, eine Bildhauerin, freie Künstler, Berufsschullehrer
und zwei Dozenten von Universitäten in Nordamerika.
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Alle Teilnehmer sind von japanischen Gastfamilien herzlich aufgenommen
und bestens versorgt worden. Da meine Gastfamilie etwas außerhalb
wohnte, radelte ich jeden Morgen 35 Minuten durch Reisfelder in
eine Schule in Tokoname, die ihre geräumigen Werkstätten zur Verfügung
stellte. Jeder erhielt einen Arbeitsplatz mit Shimpo-Scheibe und
Werktisch sowie Werkzeug; soweit alles wie bei „gewöhnlichen“ Workshops
auch. Wer aber dann eine Anleitung nach dem Muster: „Ich mache es
vor und Ihr macht es ungefähr nach“ erwartete, der wurde schnell
enttäuscht. Es wurde kein Thema gestellt und die zahlreichen Demonstrationen
fanden erst gegen Ende der 2-wöchigen Bau- und Drehphase statt.
So galt es, gleich in den ersten Tagen zu begreifen, daß es darum
ging, daß jeder seine eigene keramische Handschrift weiterverfolgen
und dieselbe verfeinern sollte, es konnte und sollte experimentiert
und gespielt werden.
Zum
Arbeiten wurden uns 6 sehr unterschiedliche Massen zur Verfügung
gestellt: von grob schamottierter Baumasse, über einen mit sehr
groben Feldspatstücken „verunreinigten“ Steinzeugton, zu einer hellen
und einer farbigen Steinzeugmasse, es gab einen sehr feinen gelben
Irdenwareton und schließlich eine Art Porzellanmasse; je nach bevorzugter
Technik und Geschmack war alles zu haben. So stürzten sich die meisten
sofort wie wild aufs Bauen und Drehen, Werkeln und Hantieren, so
daß die Werkstatträume von 9 bis 6 mit emsiger Aktivität gefüllt
waren. Zu Anfang habe ich etwas die Diskussion der Arbeiten mit
dem Workshopleiter Koji Sugie vermißt, dennoch war seine unterstützende
Aufmerksamkeit für alle gleich da und auf eine ganz subtile Art
ermunternd zu spüren. (Später hat er auf faszinierende Weise die
Herstellung von Teeschalen vorgeführt.)
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So entstanden in den ersten zwei Wochen Ganze Regalladungen von
Skulpturen und Plastiken, Gefäßen und Experimenten. Das Herumspielen
und Ausprobieren mit den verschiedenen Massen hat mir persönlich
sehr viel Spaß gemacht und es sind bei mir auf der Scheibe den Charakteren
der Massen entsprechend ganz unterschiedliche Dinge entstanden:
Von spontan und großzügig gedrehten Gefäßen aus der Feldspatmasse
bis zu ganz fein aus- und abgedrehten, großen Porzellantellern und
-schalen.
In
dem feucht heißen Klima sind die Sachen sehr unterschiedlich getrocknet,
besonders die großen aufgebauten Stücke (bis 1,20m) hatten es schwerer,
denn es bestand aufgrund des Brennzeitplanes ein gewisser Druck.
Die
zwei Wochen Fertigungszeit vergingen im Flug und am Ende schwankten
wir zwischen Erschöpfungserscheinungen und dem Gefühl, gerade erst
richtig anzufangen. Eine zwei Tage Exkursion nach Seto mit interessanten
Betriebs- und Museenbesuchen rundete die Zeit des Schaffens angenehm
ab.
Für
das nun folgende Schrühen der Arbeiten haben einige örtliche Betriebe
ihre Elektroöfen zur Verfügung gestellt, die Schrühtage ließen etwas
Zeit zur Erholung. Das Glasieren fand anschließend direkt am Ofen
des Workshopleiters statt, neben verschiedenen Seladonen und Ascheglasuren
wurden uns eine Tenmoku und eine helle Geschirrglasur zur Verfügung
gestellt. Gegen Ende des Glasierens unter freiem Himmel begann es
aus allen Eimern zu schütten, so daß die Arbeiten notdürftig mit
löchriger Plane abgedeckt werden mußten und viele beschädigte Arbeiten
aus Zeitgründen nicht mehr überarbeitet werden konnten.
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Zum
Setzen des ca. 12m langen 5-Kammer Noborigama waren alle Teilnehmer
samt 15 Helfern 1½ Tage voll beschäftigt, denn wie im Holzbrand
üblich und nötig mußten alle Stücke auf Quarztonstückchen gesetzt
werden. Als alle Kammern gesetzt waren stellte sich heraus, daß
noch eine Menge Ware 2 weitere Anagamaöfen (1,5 und 5m²) ausfüllte.
Das
spannendste war für mich mit Abstand das Brennen der Öfen. Wir wurden
in Brennteams à 4 Leuten und unterschiedliche Schichten zu je 8
Stunden eingeteilt und nach dem rituellen Opfer für den Ofen und
die Schutzgeister des Feuers wurde der Brand feierlich entzündet.
Die ersten Schichten begannen relativ entspannt; das kleine Feuer
in der ersten Kammer wurde bald durch einen riesigen Gasbrenner
unterstützt, um den Ofen schneller aufzuwärmen. Das Zelt vor dem
Ofen füllte sich mit Helfern, Besuchern, Freunden und Unmengen des
fantastischen japanischen Essens, es herrschte Festatmosphäre. Nach
Abstellen des Gasbrenners bei ca. 700°C begann der Ofen jedoch plötzlich
Holz in rauhen Mengen zu verschlingen, und das Brennteam hatte alle
Hände voll mit dem Schneiden des Holzes und Stochern zu tun. Bei
der Endtemperatur haben wir alle 40 Sekunden drei 2,40m lange Anschnittbohlen
nachgeschürt: Feuertüre auf, Stochern, Türe zu, den Schweiß unter
der Vermummung verwischen, einen Schluck trinken, Türe auf … Besonders
ab der zweiten Kammer strahlte der Ofen eine ungeheure Hitze aus
und die Tagschicht hatte bei durchschnittlich 35°C und hoher Luftfeuchtigkeit
nicht viel zu Lachen.
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Die
Nachtschicht von 24 bis 8 Uhr fand ich am angenehmsten, die Gäste
waren gegangen, neben dem Atmen und Knistern des Ofens nur die Zikaden
zu hören, Sternenhimmel…
Verblüffend
jedoch, wie ein solch großer Ofen doch so empfindlich auf geringste
Veränderungen reagierte: ein Brennteam hatte dem Rhythmus des Ofens
anscheinend nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt und die
Temperatur fiel in einer Kammer in einer Stunde um mehr als 300°C
und es hat 8 weitere Stunden gebraucht, um den Rhythmus wiederzufinden
und die Temperatur auszugleichen. Um diesem Rhythmus zu lauschen,
braucht es volle Konzentration, dann aber läuft das Stochern jedoch
wie von allein und es ist ein erhebendes Gefühl, Teil dieses Prozesses
sein zu können. Als absoluter Fan der Glutfarben bin ich außerdem
voll auf meine Kosten gekommen. Trotz der großen Anstrengungen bleibt
das Brennen doch als ein unvergessliches und wunderbares Erlebnis
in der Erinnerung.

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Dann
belohnte ein gutes Brennergebnis nach drei Tagen des Ausruhens und
qualvollen Wartens die vielen Mühen. Nicht jeder erhielt die erwarteten
Ergebnisse: Willkommen in der Keramik. Meine Spannung war viel zu
groß, als daß ich irgend etwas erwartet hätte, und ich hatte das
Gefühl, als ob gerade das meine Töpfe an die richtigen Stellen im
Ofen befördert hätte. Die beiden Anagamaöfen sind gesalzen worden
und haben sehr gute Ergebnisse hervorgebracht. Teile der Ergebnisse
sind in zwei Galerien in Tokoname zum Verkauf ausgestellt worden
und auf dem Tokoname Potter‘s Festival, einer Art Keramikmarkt,
auf den in 2 Tagen 200.000 (ja, in Worten zweihunderttausend) Besucher
kamen, wie eine Völkerwanderung. Die ausgestellte Ware bestand hauptsächlich
aus Gieß- und Industrieware, die in keinem der Bücher über japanische
Keramik zu finden sind; es hat ganz gut getan, das manchmal leicht
verklärte Bild der japanischen Keramik in Richtung Realität zu korrigieren
… Es gibt eine Unmenge an Kitsch und auch ganz schreckliche Dinge,
bei denen es mir immer um die Zeit und das Material leid tut … das
kann jedoch anderen bei meinen Sachen genauso gehen.

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Aber
es waren ein paar doch sehr gute Werkstätten vertreten, vor allem
junge Leute mit vielen ausgefallenen Ideen, teilweise von der Keramikausbildung
der Universität in Nagoya. Ich habe mich auf dem Markt mit ca. 21
Worten Japanisch (davon 1 bis 10 Zahlen) eine halbe Stunde mit einem
Keramiker über Brenntechnik unterhalten und einen tollen holz- und
salzgebrannten Becher um die Hälfte des Preises erhandelt. Diese
Erfahrung zeigt einmal mehr: wo ein Wunsch ist, da gibt‘s auch einen
Weg und jede Menge Spaß. Selten hat es wirklich Verständigungsprobleme
gegeben, obwohl viele Japaner sehr wenig Englisch verstehen.
Und
dann, nach dem Abbau der Stände auf dem Keramikmarkt und einem einstündigen(!)
Feuerwerk war die Zeit plötzlich schon um… und es galt Abschied
zu nehmen. Von den vielen der mindestens 40 Helfer und Betreuer,
die sich rund um die Uhr um ALLES gekümmert haben, von den Gastfamilien,
die das Programm nach der Werkstattzeit um so vieles bereichert
haben und von den neu gewonnenen Freunden und Mitteilnehmern.
Wir
haben mit unseren Arbeiten erst alle Gastgeber und dann uns gegenseitig
beschenkt, wer noch was tragen konnte, durfte es mitnehmen, der
Rest wurde zugunsten des nächsten Jahres verkauft. In der Abschlußzeremonie
beschrieb jeder in ein paar Sätzen seine Erfahrungen und alle waren
sehr bewegt von dem Gefühl der Zusammengehörigkeit und der Verbundenheit
über die Grenzen von Nationalitäten und Vorurteilen hinweg.
Insgesamt
war der Workshop eine der besten Erfahrungen, die ich je machen
durfte. In einer anderen Kultur arbeiten und leben zu können ist
immer eine große Lernchance, ständig kann oder muß man alte Denk-
und Verhaltensmuster in Frage stellen und über Bord werfen.
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Die
Einblicke, die wir während der Demonstrationen und Werkstattbesuche
in die Arbeitsweise der japanischen Keramiker bekommen konnten,
haben mich sehr bereichert und nachhaltig zehre ich immer noch von
gesehenen Techniken und Formen.
Jemand
sagte, daß das Wort Lernen wörtlich aus dem Japanischen übersetzt
„Mit den Augen pflügen“ heißt und es schien nicht so gewöhnlich,
alle Dinge mit direkten Fragen erfassen zu wollen; vielmehr galt
es, mit ganzer Aufmerksamkeit dem Schaffenden auf die Finger zu
sehen und dann eigenständig seine Schlüsse und Lehren daraus zu
ziehen.
Der
Aufenthalt in den Gastfamilien erforderte eine Anpassung an uns;
auf den ersten Blick sind manche Gewohnheiten fremd, die im Zusammenhang
mit Kultur und Geschichte dann doch ihren Sinn enthüllen. Beeindruckt
hat mich in dieser Hinsicht der respektvolle Umgang und die Art
der Kommunikation miteinander. Obwohl dieser Respekt im ungünstigen
Fall in einen anonymen Formalismus abgleiten kann, so sind wir mit
dem lustigen Völkchen von Keramikern und Helfern nicht damit in
Berührung gekommen. Mir scheint es, als ob sich dieser Respekt wie
ein feiner roter Faden durch die japanische Kultur zieht und ich
habe ihn besonders im Umgang mit Ton und Werkzeugen und Rohstoffen
bewundert. Gerade das vermisse ich manchmal in der westlichen Kultur
und es gibt hier Keramiker, die ihren Rücklauf einfach wegwerfen…
Formal
faszinierend für mich ist die Lockerheit und Spontaneität vieler
gedrehter Gefäße, die sich auf sehr gute handwerkliche Fähigkeiten
stützen kann und nicht in einem Genauigkeits-Perfektionismus stecken
geblieben ist. Was zählt, sind nicht die Millimeter, sondern der
Charakter der Arbeiten.
Während
der 30 Tage Workshop haben wir ca. 18 Parties gefeiert, jede Familie,
die etwas auf sich hielt, hat alle zu endlosen Gelagen mit viel
Bier (Hauptgetränk in Japan) und Sakè eingeladen, kulinarisch ein
Fest nach dem anderen. Gewisse Müdigkeits-Folgeerscheinungen haben
sich jedoch bei manchem nicht vermeiden lassen.
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Damit
bin ich noch bei einem erwähnenswerten Thema angelangt: Die japanische
Mahlzeit besteht günstigerweise aus vielen unterschiedlichen kleinen
Gerichten, die alle einen eigenen keramischen Untersatz brauchen
… und wer etwas auf sich hält, kauft hier handgefertigte Keramik.
Teller, Schalen, Schüssel(che)n jeder Größe, Platten, Schalen, Tabletts,
Backformen … was das Herz begehrt.
Die
Preise für Handgefertigtes sind im Vergleich viel höher, ich halte
sie jedoch für gerechtfertigt, verkaufen sich doch hierzulande viele
Keramiker unter ihrem Wert. Es gibt in Japan eben eine ganz andere
und für hier sehr wünschenswerte und notwendige Wertschätzung für
handgemachte Keramik.
Bei Teeschalen handelt es sich um eine eigene Kunstform, die mit
für uns manchmal unverständlichen Preisen zwischen 200 und 30.000
Mark hier schon mal für Aufsehen sorgt, nicht so in Japan. Das hängt
auch mit der Teezeremonie zusammen, über die es ja ganze Bibliotheken
gibt. (Wir hatten ganz am Schluß die Gelegenheit, bei einer Keramikerin
daran teilzunehmen und das war doch ein sehr besonderes und ergreifendes
Erlebnis.)
Generell
ist alles in Japan für uns vergleichsweise SEHR TEUER! (Ich habe
im Supermarkt für 3 Äpfel einmal 8,-DM bezahlt…) Der Workshop kostet
ca. 1.600,- DM plus Flug (zwischen 1.100,- und 1.700,-) Die Erfahrungen
sind jedoch unbezahlbar und ich hatte die glückliche Gelegenheit
nach enormer Schlepperei in Tokio über Bekannte Stücke des Workshops
verkaufen und damit die Gebühren und einen Teil des Fluges bezahlen
zu können.
So
kann ich diesen Workshop allen nur wärmstens ans Herz legen…
Informationen
und Bewerbungsunterlagen sowie jede Menge Fotos aus den vergangenen
Jahren gibt‘s im Internet unter anderem unter
email: iwcat@japan-net.ne.jp
oder
einfach „iwcat“ in eine Suchmaschine eingeben!
Viel
Erfolg wünscht allen Jakob
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