Der Werkstattunterricht in Stuttgart

Warum greife ich gerade den Werkstattunterricht heraus? Sicher, durch das Duale System kommt der Berufsschule hauptsächlich die Theorievermittlung zu, und natürlich sind solche fachbezogenen Fächer wie Fachkunde, Fachmathe, Gestaltung, Laborkunde und Kunstgeschichte sehr wichtig, da in den meisten Ausbildungswerkstätten doch eher nur das praktische Arbeiten im Vordergrund steht, aber gerade der Werkstattunterricht spielt für viele von uns eine ganz besondere Rolle. Pro Woche sind es 8-10 Werkstattunterrichtsstunden, was ja schon als eine recht gute Anzahl erscheint, dennoch als oft zu wenig empfunden wurde, so daß wir froh über die spätere Erlaubnis waren, auch Zwischenzeiten und Tage mit früherem Unterrichtsende in der Schulwerkstatt - soweit wir die Meisterschüler nicht störten - nutzen zu dürfen. Die Bedeutung des Werkstattunterrichts liegt zum Einen darin, daß sämtliche keramisch wichtigen Gebiete vermittelt oder zumindest angeschnitten werden, auch oder gerade vor allem der Techniken, deren gute Vermittlung nicht in allen Lehrwerkstätten üblich ist. Dies betrifft vor allem das Arbeiten und den Umgang mit Gips, das Gebiet der Baukeramik und der Dekoration. Die Blockschulzeit reicht natürlich nicht aus, um tief und detailliert in alles einsteigen zu können, aber ein Überblick und Grundlagen werden gegeben. Zum Anderen ist es sehr wichtig und gut, die Anregung, den Austausch und den Vergleich mit den anderen Lehrlingen zu haben. Viel zu wenig, aber doch etwas Zeit bleibt auch zum Ausprobieren, zumindest macht man mal eigene Entwürfe und probiert Techniken (z. B. im Bereich des Dekors) aus, die man nicht unbedingt alle von der Lehrwerkstatt her kennt. Doch nun zu den Inhalten dieses praktischen Fachunterrichtes.

I.+ II. Block Am Anfang stand der Gips.

Dieser Hilfsstoff der Keramik beschäftigte uns fast zwei Unterrichtsblöcke lang. Begonnen wurde mit der Herstellung einfacher Gipsplatten, in welche wir später Buchstaben verschiedener Schrifttypen einkerbten und schnitzten. Eine Formentwicklungsreihe mit Ton durchgeführt bildete die Ausgangsbasis für die Entwicklung eines Salz und Pfefferstreuerpaares. Dabei wurden die geometrischen Grundkörper Kugel, Würfel und Pyramide so verändert und kombiniert, bis die ideale Form gefunden war. Ihr formal angepaßt entstand das Partnermodell. Anhand dieser Tonvorlagen schnitzten wir die Gipsmodelle. Gleichzeitig arbeitete immer ein[e] Schüler[in] an der Gipsdrehscheibe am Gipsbechermodell anhand einer vorher erstellten Zeichnung. Anschließend fertigten wir noch die jeweiligen Gipsformen an und gossen die ersten Streuer und Becher. Mir erschien es damals sehr lang, die kompletten ersten beiden Blöcke nur in der Gipswerkstatt zu verbringen, zumal meine damalige Motivation eher dem Drehen als den Gipsarbeiten galt. Mittlerweile sehe ich das anders und bin sehr froh, einen umfassenden Überblick über das Thema Gips (Fachtheorie und Laborkunde beschäftigen sich zeitgleich mit dem Thema) bekommen zu haben. Vor allem die Herstellung von Gipsmodellen und Gießformen ist sicher ein Arbeitsbereich, den wenige in ihren Lehrwerkstätten vermittelt bekommen, so daß der Schulunterricht die wichtigsten Grundlagen lieferte.

III. Block Eroberung der Drehwerkstatt!

Im Vordergrund dieser Schuleinheit stand das Drehen: kleinere Zylinder, Zylindervasen gleicher Höhe und gleichen Durchmessers mit unterschiedlichem Randabschluß, welche anschließend noch plastisch dekoriert werden sollten, Krug mit passender Becherserie nach eigener Skizze. Nebenbei gossen wir weiter unsere Becher und die Salz und Pfefferstreuer. Weiterhin modellierten wir die Tiere, die wir im Fach Gestaltung entworfen hatten.

IV. Block

Wir führten die Farbgebung der mittlerweile geschrühten Tiere durch Einfärben mit Metalloxiden durch, und im Hinblick auf die nähergerückte Zwischenprüfung übten wir das Drehen von Schalen in Zwischenprüfungsgröße. Den Hauptschwerpunkt bildete jedoch die Baukeramik mit Bautonvorbereitung, Plattenherstellung und Trocknung, Kastenbauübung bis hin zu einer weiteren Umsetzungsaufgabe des Faches Gestaltung. Dort stellten wir durch Auswahl und Kombination geometrischer Grundflächen Formfindungsreihen auf, bis das entsprechende Sitz oder Stützelement gefunden war. Es entstanden sehr schöne und unterschiedliche Sitz und Stützelemente, und sicher bin ich nicht allein der Meinung, daß diese baukeramischen Aufgaben mit zu den spannendsten des Werkstattunterrichtes zählten. Für einige war es das erste Mal, mit baukeramischen Arbeitsweisen konfrontiert zu sein, wenngleich uns hier schon einige Erfahrungen zugute kamen (z. B. die Schwierigkeiten mit den rechten Winkeln kannten wir schon von unseren Modelleinbauten der "Gipszeit"). Aber auch hier legte der Werkstattunterricht wieder Grundlagen, welche eigentlich in der praktischen Ausbildung vermittelt werden müßten, dies aber durchaus nicht die Regel in allen Lehrwerkstätten ist.

V. Block

Unsere jetzt gerade zu Ende gehende Blockeinheit beschäftigte uns vorwiegend mit farblicher Dekoration von Fließen und Schalen. Im Gestaltungsunterricht hatten wir im letzten Block ein Naturobjekt zeichnerisch zu abstrahieren, welches wir nun in Porzellan modellierten oder drehten. Desweiteren stand die Anfertigung eines Schüsselsatzes auf dem Programm und die Fertigstellung unserer Sitzelemente (farbliche Gestaltung und/oder Glasieren dieser).

Anett Steinbach